John E. Gardiner
Photo: Rock/Universal

Wie die ‘Messa da Requiem’ von Giuseppe Verdi unter der Stabführung von Sir John Eliot Gardiner in Luxemburg gelang, berichtet Uwe Krusch für Pizzicato. Neben seinen Ensembles ‘Orchestre Révolutionnaire et Romantique’ und ‘Monteverdi Choir’ hatte Mariner vier ausgewählte Solisten mitgebracht.

Ob das Requiem von Verdi wirklich so opernhafte Züge hat oder nicht einfach eine italienische Sicht auf dieses Metier ausdrückt, die eben von einer mehr teutonischen Sichtweise abweicht, mag jeder für sich entschieden. Auf alle Fälle zählt das abendfüllende Werk zu den ganz großen und beliebten Beiträgen zu dieser Gattung.

Sir John Eliot Gardiner hat sich seinen ausgezeichneten Ruf vor allem mit dem Werk von Johann Sebastian Bach geschaffen. Doch weitet er sein Spektrum auch schon lange aus und hat dafür das, was die Streicherbesetzung betrifft, mittelgroße Orchester gegründet, das neben den ‘English Baroque Soloists’ für das jüngere Repertoire agiert. Dass auch diese Gruppierung mit höchster Akribie und Sorgfalt agieren kann und dabei Klangqualität und Ausdruck pflegt, konnte am Montag in der Philharmonie erhört werden. Bis in die letzten Pulte motiviert, entwickelte das Ensemble eine atemberaubend variantenreiche Gestaltungsfähigkeit, die vom kaum hörbaren Hauchen bis zu gewaltigen Klangballungen reichte, um etwa die Dies irae-Passagen markerschütternd darzustellen. Die historischen Blasinstrumente entwickeln dabei besondere Klänge, die ihren entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Welten von Verdi zu erforschen. Gegenüber dem Original gab es dann insofern eine Anpassung, als die Ophikleide durch das Cimbasso, eine Kontrabassventilposaune ersetzt wurde. Diese rundete das tiefe Blechspektrum mit warmem weichem Ton nach unten ab.

Der ‘Monteverdi Choir’ trug ebenfalls seinen maßgeblichen Teil zum phänomenalen Erlebnis bei. Bis auf ein einmaliges geringes Hinterherhinken wusste die Vereinigung der Singenden mit einem genauso dichten und klangformenden Ansatz wie das Orchester zu brillieren. Auch der Chor erreichte mühelos eine enorme Breite an Lautstärkevarianten vom Flüstern bis zum vollkehligen Singen. Dabei zeigten alle vier Stimmlagen ohne Abstriche, zu welch homogenem und textverständlichen Gesang sie in der Lage sind. Auch das Zusammenwirken mit dem Orchester ließ keinen Platz Zweideutigkeiten oder Abweichungen. Diese Gefahr besteht immer, da der Chor weiter vom Dirigenten entfernt ist als das Orchester, aber nicht bei so eingespielten Protagonisten wie an diesem Abend.

Bedingt durch ein Missverständnis hatte der Rezensent an diesem Abend seinen Platz seitlich vom Orchester gefunden, so dass das Wirken der Gesangssolisten nicht so einfach zu verfolgen war. Was er aber hören konnte, war wirklich beeindruckend. Alle vier, die Sopranistin Corinne Winters, die Altistin Ann Hallenberg, der Tenor Edgaras Montvidas sowie der Bass Gianluca Buratto, glänzten mit schnörkellos ausgefeilten Beiträgen, die zum Werk beitrugen und nicht das eigene Ego zur Schau stellten. Die Vielfalt der sprachlichen Hintergründe, USA, Schweden, Litauen und Italien, spielte hier keine hörbare Rolle, da Verdi den lateinischen Text gewählt hat, der allen die gleiche Basis für die Aussprache liefert. Sowohl im Solo, wie etwa bei der Sopranistin im Libera me, als auch im Ensemble brachten die opernerprobten Gesangssolisten ihre kraftvollen und leuchtenden Stimmen zur Geltung, ohne mit Aplomb oder weitem Vibrato aufzutrumpfen. Vielmehr hatten sie sozusagen ihren religiös gefärbten Stil aufgelegt, der sich gut in das Gesamtbild einfügte. Sehr schön auch war der Klang der Solisten miteinander, denn hier konnten auch Zusammensetzungen eintreten, bei denen zwar jeder für sich schön klingt, die Stimmen zusammen sich aber reiben.

Bleibt noch der Dirigent zu beschreiben. Sein direkter zielführender, aber auch sehr dezidierter Dirigierstil und sein angedeutetes Mitsingen bei Choreinsätzen ermöglichen es Gardiner, die vielen Beteiligten zusammen zu halten und ihnen bei aller Freiheit im Detail seine Interpretationslinie nahe zu bringen. Der mit Mitte siebzig noch jugendliche unter den ganz großen älteren Maestros weiß auch ein abendfüllendes Werk mit sicherer Organisation und ausgewogenen Temporelationen der Teile zueinander zu ordnen und gleichzeitig die musikalische Struktur und Aussage so herauszuarbeiten, dass die Darstellung zu einem Genuss wird. Seine straffe Herangehensweise äußerte sich in einer relativ kurzen Gesamtdauer, die aber trotzdem immer so wirkte, als ob alles in Ruhe ausgestaltet werde. Hetze gab es nicht. Das lag natürlich auch an der Qualität der Mitwirkenden, die nicht bei technischen Herausforderungen stolperten. Man konnte auch merken, dass Gardiner, nachdem schon weite Strecken absolviert waren, sich selber noch einmal anspornte, weiterhin die Konzentration zu halten und zu vermitteln und er konnte dies auch direkt auf die anderen Beteiligten übertragen. So gelang es, ohne Spannungsabfall bis zum letzten Ton zu musizieren.

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