Mit Lucilin+ oder Lucilin extended ist in unterschiedlicher Schreibweise das Gleiche gemeint. Der Zusatz nahm Bezug auf die zusätzliche Einbindung von akustischen, optischen und gestischen Elementen, die somit unverzichtbarer Teil des Konzertes von Lucilin in der Luxemburger Philharmonie wurden. Welche Gimmicks oder ernstzunehmenden Erweiterungen zu erleben waren, davon berichtet unser Mitarbeiter Uwe Krusch.
Mit sieben Kompositionen von drei Minuten bis zu einer Viertelstunde Spieldauer bot das Konzert im Espace Découverte der Philharmonie vor gefüllten Publikumsreihen ein spannend inspirierendes Erlebnis, das abwechslungsreich, aber nicht beliebig zusammengesetzt war. Gleich das erste Werk von Jesse Marino mit dem Titel YjQzljv1uFQ zeigte als Rückholung aus Corona Onlinezeiten, wie lebendig auch diese Richtung sein kann. Die um eine große Pauke herum sitzenden drei Spieler gestalteten vor allem ein Handballett, das über eine darüber hängende Kamera auf die Leinwand im Hintergrund projiziert wurde. In Numb von Igor C Silva spielte dann in einem energiereich aufgeladenen Werk der Tenorsaxophonist Olivier Sliepen Schlaufen und Ketten, zu denen die Elektronik harte Beats lieferte. Das größte Stück im Hinblick auf Besetzung und Länge war dann vor der Pause mit Sensate Focus von Alexander Schubert zu erleben. Hier kamen zu den Instrumenten Keytar, Saxophon, Schlagzeug und Violine sowohl elektronische Zusätze als auch mit fokussierten Stroboskop Spots als Element hinzu. Der jeweils aktive Spieler wurde durch das Spiel mit dem Licht aus dem Dunkel hervorgehoben, um so die Fokussierung anzuzeigen.
Mit ‘wo.man sitting at the piano’ hat Francesca Verunelli ein Werk komponiert, das im Dialog Pianola, also eines automatischen Klaviers mit der Flöte, hier gespielt von Sophie Deshayes, geradezu vulkanische Kraft entfalten kann. Mit ‘Kœr‘ hatte Genoël von Lilienstern hat Uraufführungsstück beizutragen. Danielle Hennicot konnte dabei ihrer Bratsche, umspielt von Elektronik, kraftvolle Klänge entlocken, die dem Wunsch des Komponisten nach einem körperlichen Klangerlebnis gerecht wurden. Noch ein mit Kamera auf die Leinwand übertragenes Werk schloss sich an. ‘The Game of the Century‘ setzt Connor Shafran eine Schachpartie des 13-jährigen Bobby Fischer gegen seinen Landsmann Donald Byrne in eine rhythmisch visuelle Struktur um, bei der die Züge des Spiels am Brett in musikalische Formen übersetzt nachgespielt werden. Pascal Meyer, der auch die inspirierende Kraft zur Choreografie des gesamten Konzerts war, konnte auch hier als einer der beiden Beteiligten seinen über das reine Klavierspiel hinausgehenden Interessen nachgehen. Den Abend beschloss der Perkussionist von Lucilin, Guy Frisch, mit ‘Hoc‘ von Óscar Escudero. Der mit einer Virtual Reality Brille ausgestattete Spieler entlockte auf vielfältige Weise der Snare Drum die Töne, die elektronisch ergänzt und mit Videos kombiniert wurden.
Ausgehend vom Text des Programmheftes oder einfach auch der genannten Modalitäten mochte man manche Verspannung oder auch Verrücktheit im Programm erwarten. Das Konzert entpuppte sich aber als hochanregendes und inspirierendes Erlebnis, dass immer unterhaltsam, aber nie oberflächlich war. Bei allen Werken durfte man vor allem die die rein instrumentale Darbietung ergänzenden Komponenten, also Elektronik, Licht, Optik, immer als eben zusätzlich und bereichernd wahrnehmen. Sie nahmen der Musik nicht ihren Platz, sondern boten eben weitere Ebenen oder Gedankenansätze.
Geht es mir persönlich oft so, dass ich elektronische Elemente eher als störend oder überwölbend empfinde, so sorgte hier der gezielte Gebrauch dieser ‘Instrumente‘ für eine Bereicherung. Die Mitglieder von United Instruments of Lucilin, zusätzlich zu den bereits Genannten hier noch vertreten auch durch den Geiger André Pons-Valdés bei Sensate Focus, hatte sich diese Stücke wirkungsvoll und konnte sie wirkungsvoll präsentieren. Denn diese Musik bedarf schon beim Lesen der Partituren durchaus der zugewendeten gedanklichen Auseinandersetzung, erfordern doch ungewöhnliche Spieltechniken auch ungewohnte Anweisungen, die erst zu enträtseln sind. So bot das Konzert einen Blick in die Gegenwart, der große Lust auf mehr machte.