Das Tetzlaff Quartett gehört ohne Zweifel zu den interessantesten und wagemutigsten Streichquartetten der Gegenwart. Im Kammermusiksaal der Philharmonie präsentierten die vier Musiker Werke von Mozart, Bartok und Sibelius. Alain Steffen hat für Pizzicato zugehört.
Die vier Musiker hatten sich sofort zu Beginn eines der komplexesten Streichquartette von W.A. Mozart, nämlich das Streichquartett Nr. 15 KV 421 ausgesucht. Mozart wandelt hier quasi auf experimentellen Wegen. So zerrissen, tiefgründig und modern kennt man den Komponisten kaum. Und das Tetzlaff Quartett hatte sich zur Aufgabe gemacht, gerade diese Elemente in den Vordergrund zu stellen. Quasi ohne Vibrato und somit eher hart im Klang, voller Akzente und dissonanten Tönen entfernten sie sich total von der gängigen Mozart-Interpretation und schufen somit einen Blick aus einer neuen Perspektive auf dieses Werk. Ob das jetzt gefällt oder nicht, bleibt am Ende Geschmackssache. Ich persönlich ziehe einen musikantischeren und kantableren Mozart vor, weil ich der Meinung bin, dass die Musik selbst diese innere Zerrissenheit zeigt, ohne dass man quasi mit dem Finger darauf zeigen muss. Für mich war der Fokus etwas zu stark und zu intensiv auf das ‘Wollen’ gelegt, hier etwas bewusst anders zu machen. Was aber die Interpretation an sich nicht schmälert, denn das Konzept war von vorne bis hinten klug durchdacht und ging am Ende auf.
Nach diesem hyperexpressiven Mozart stand dann das expressionistische 4. Streichquartett von Bela Bartok auf dem Programm. Und auf Anhieb merkte man, dass die Musiker diese ebenfalls zerrissene Musik im Blut haben. Da wirkte nichts bewusst in Szene gesetzt (wie bei Mozart), die Interpretation wuchs aus sich heraus, lebte von einer quasi wilden Dynamik, einem exzellenten Zusammenspiel und einer breitgefächerten Palette an Ausdrucksmöglichkeiten und Farbe. Hinzu kam eine atemlose Spannung, so dass diese Interpretation die ganze Kunst des Tetzlaff-Quartetts bestens zeigte.
Auf gleich hohem Niveau folgte die Wiedergabe des Streichquartetts op. 56 ‘Voces Intimae’ von Jean Sibelius aus dem Jahre 1908/09. Es ist ein sehr vielschichtiges Werk, wo der Komponist, ähnlich wie Bartok in seinem 4. Streichquartett, Elemente der Folklore und moderne Töne auf kongeniale Weise miteinander verbindet. Im ‘Largo di molto’, dem längsten Satz des fünfsätzigen Werkes, erreicht Sibelius’ Musik eine unwahrscheinliche Tiefe und enorm starke Ausdruckskraft. Das Tetzlaff Quartett spielte sie mit einem symphonischen Charakter, der aber immer wieder durch kammermusikalische Feinheiten kontrastiert wurde. Wie bei Bartok beeindruckte hier auch die wilde Virtuosität des Quartetts, das somit die Musik quasi bis an ihre expressiven Grenzen drängte, ohne dabei die intimistischen Momente zu vernachlässigen. Im Gegenteil! Diese wurden mit technischer Vollkommenheit ausgespielt, so dass wir, genau wie bei Bartok, eine Interpretation erleben durften, die alle musikalischen Elemente bis ins kleinste Detail auszuloten verstand.
Als Dank für den begeisterten Applaus des Publikums spielte das Tetzlaff Quartett abschließend den 5.Satz Cavatina aus Beethoven Streichquartett Nr.13 op. 130.