Pavel Haas Quartet
(c) Philharmonie Luxembourg / Eric Devillet,

Seit unser Mitarbeiter Alain Steffen vor Jahren das Pavel Haas Quartet zum ersten Mal anlässlich eines Quartettfestivals in Eisenstadt auf Schloss Esterhazy erlebte, gehört dieses Quartett zu seinen Lieblingsensembles. Für ihn sind es sind vor allem dieser erdige, dunkle Ton gepaart mit der ungeheuren Virtuosität und dem vollendeten Stilgefühl seiner Musiker, der die Interpretationen des Pavel Haas Quartet so besonders machen.

Das Programm, das die Musiker am Montag im Kammermusiksaal der Philharmonie spielten, hatte es in sich. Vor allem die erste Hälfte mit den eher unbekannten Quartetten von  Vitezslava Kapralova und Bohuslav Martinu führte uns auf eine spannende Musikreise. Bohuslav Martinus Musik wird leider noch immer unterschätzt und wenig gespielt. Dabei besitzen Ausdruckskraft und Musik das gleich hohe Niveau wie die Werke eines Leos Janacek oder Bela Bartok. Von Martinus 7 Streichquartetten ist das Fünfte das längste und wohl auch das ausdrucksstärke. Martinu-Biograph Harry Halbreich schreibt dazu: „Unter gewissen Umständen können sich auch die größten Schöpfer der Musik selbst übertreffen. Bei Martinu ereignete sich dies gleich zweimal während des qualvollen Jahres 1938. Eine schwere persönliche Krise traf mit der dramatischen politischen Situation zusammen. Dieses schwierige, kompromisslose Werk unter Hochspannung ist zweifellos das Meisterwerk seines Autors und das größte tschechische Streichquartett des 20. Jahrhunderts neben Janaceks Quartett Intime Briefe.“ 1938 geschrieben, spiegelt die Musik Martinus bedrückende Stimmung hinsichtlich der nahenden Invasion der Tschechoslowakei durch die Nazis wieder. Dies alles machten die vier Musiker des Pavel Haas Quartet in jedem Moment deutlich und nachvollziehbar. Die Musik wurde quasi zu einem Organismus, dessen Fasern man in jedem Instrument nachspüren kann. Das Pavel Haas Quartet erweckte Martinus Musik zum Leben und verlieh ihr einen sehr natürlichen, wenn auch gewollt hektischen Atem. Die Angst war überall spürbar. Und trotzdem besaß Martinus 5. Streichquartett in dieser Interpretation eine schier aufbäumende Kraft, die das Quartett tatsächlich zu einem der größten und besten Streichquartette des 20. Jahrhunderts werden ließ.

Eingeleitet wurde das Konzert mit dem einzigen Streichquartett der jungen und mit 25 Jahren an Tuberkulose verstorbenen tschechischen Komponistin Vitezslava Kapralova (1915-1940), das sie im Alter von zwanzig Jahren geschrieben hatte. Kapralova war eine hochbegabte Schülerin Martinus, mit dem sie auch ein Liebesverhältnis hatte. Dieses hörenswerte Quartett ist ein sehr reifes, wohl ausbalanciertes und ausdrucksstarkes Werk einer überaus talentierten Komponistin, die eine große Zukunft vor sich gehabt hätte. Auch hier erlebte das Publikum eine elektrisierende und zugleich sehr feinsinnig ausgesponnene Interpretation des Pavel Haas Quartet, das hier wie auch bei Martinu und dem folgenden Streichquartett von Claude Debussy von einer einzigartigen Mischung auch Innenspannung, Virtuosität und Dialogbereitschaft lebte.

Nach der Pause wurde auch das einzige Streichquartett von Claude Debussy zu einem Erlebnis. Die markante Interpretation der Musiker, ihr Sinn für dramatische Abläufe, musikalische Stringenz und lebendige Interaktionen taten Debussys Musik gut. Der dunkle Klang des Pavel Haas Quartet vermied allzu pastellartige Farben, so dass man Debussys Meisterwerk an diesem Abend in einer wohltuend  packenden, direkten und kantigen Interpretation erleben konnte. Mit der virtuosen Alla Tarantella aus Fünf Stücke für Streichquartett (1923) von Erwin Schulhof als Zugabe bedankte sich das Pavel Haas Quartet beim ebenso aufmerksamen wie begeisterten Luxemburger Publikum.

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