In der Luxemburger Philharmonie werden neben den allgemeinen Reihen auch thematisch gebundene Reihen angeboten. Das Atlantico Festival gehört dazu, das in acht Tagen komprimiert die Kultur der portugiesischen Sprachräume vermittelt. Vorwiegend auf volkstümliche Musik fokussiert, bot dieses Festival nun auch ein Konzert des Ensembles Divino Sospiro unter der Leitung von Massimo Mazzeo mit barocker und frühklassischer Musik. Uwe Krusch berichtet für Pizzicato.
Als Solistin setzte die ebenfalls aus Portugal stammende Sopranistin Ana Quintans Glanzpunkte. Doch damit nicht genug, gab es auch Musik von portugiesischen Komponisten bzw. solche zu hören, die einen Bezug zum Land haben. Um mit diesen anzufangen, erklangen die La Follia Sonate von Antonio Vivaldi und ein Concerto grosso von Charles Avison nach Domenico Scarlatti. Der Bezug bei Vivaldi ist das auch als Folie d‘Espagne bekannte La Follia Thema. Dieses stammt trotz des etwas anderes andeutenden Namens nicht aus Spanien, sondern aus dem Ninho in Nordportugal. Bei Avison ist sein Bezug nur indirekt über Domenico Scarlatti. Scarlatti war wie andere italienische Künstler nach Portugal an den Hof berufen worden, um musikalisch am Puls der Zeit, das hieß Italiens, sein zu können. Sein prägender Einfluss blieb, wenn er auch nicht lange vor Ort ausharrte.
Die anderen Kompositionen des Abends waren dann tatsächlich aus portugiesischer Feder. Carlos de Seixas, wie Scarlatti eher als Komponist für Tasteninstrumente bekannt, eröffnete mit seiner Sonate in g-Moll den Abend. Als weiteres reines Instrumentalwerk wurde auch der zweite Teil gestartet, mit einem Concerto grosso von Antonio da Costa.
Diese vier instrumentalen Stücke wurden um vier Werke bereichert, in denen ein Sopran die Texte darbietet. Von Pedro António Avondano wurden zwei Arien aus Oratorien präsentiert, Signor che mi traesti sowie Ah, se ho da vivere, beide aus Gioas, Re di Giuda. Jeweils eine Arie von Francisco Antonio de Almeida und Joao de Sousa Carvalho rundeten den Abend ab.
Das Ensemble Divino Sospiro kann mit zwanzig Jahren auf eine vergleichsweise kurze Geschichte zurückblicken. Das liegt vor allem daran, dass das Interesse für die barocke und frühklassische Musik in Portugal sich erst entwickeln musste und dann auch erst die historisch informierte Spielart Einzug halten konnte. Das Ensemble hat eine äußerst überzeugende Homogenität entwickelt, mit der es klanglich und gestalterisch überzeugt. Allerdings könnte durch eine noch bessere Intonation ein weiterer Fortschritt erzielt werden. Sicherlich neigen die historischen Instrumente dazu, zu verstimmen. So gibt es die Bosheit über die Gambe, dass sie die Hälfte der Zeit gestimmt wird und die andere Hälfte der Zeit nicht stimmt. Doch auch andere historisch spielende Orchester müssen damit zurechtkommen und da sind noch bessere Ergebnisse möglich.
Dem Ensemble kann nicht abgesprochen werden, dass es eine lebendige Interpretationskultur pflegt, die auch durch die im Stehen spielenden höheren Streicher unterstützt wird. Mazzeo pflegt mit klarer, der großen Geste zugeneigten, aber auch klarem Dirigierstil sowohl leise Stellen zum Flüstern zu bringen als auch thematisch herausgehobene Momente hervor zu locken. Mancher Wechsel und Umschwung wirkt ein wenig kantig, aber das mag der gewünschte Stil sein. Auch gebrochene Akkorde kommen recht harsch ans Ohr. Da pflegen andere schönere Spielweisen.
Dass Portugal auch heute noch ein patriarchalisch geprägt ist, könnte man daraus ablesen, dass der Solistin der zweiten Geige nicht für ihre Soli gedankt wurde, aber den anderen Orchestersolisten. Der geringere Anteil der zweiten Sologeige wurde vielleicht durch eine unnötige Zurückhaltung partiell auch noch akustisch verstärkt. Die Darbietung der Soli ließen jedenfalls keine Wünsche an Gestaltung und Klang offen. Erwähnt werden sollte auch Pietro Prosser, der auf der Erzlaute zu brillieren wusste.
Der Star des Abends war sicherlich die Sopranistin Ana Quintans. Diese junge Sängerin hat schon an namhaften Orten und mit bekannten anderen Künstlern zusammengearbeitet und kann so ihre ganze Erfahrung in die Interpretation der vier Arien einbringen. Sie bringt ihre agile Sopranstimme mit prägnanter Artikulation ein. So gelingt es ihr auch, in den Arien die unterschiedlichen Gemütszustände durch hier introvertierte oder da exaltiertere Lesart zu vermitteln. Dass sie dabei auch stimmlich Herausforderungen meistern muss, gelingt ihr mit elegant lockerer Haltung, die keine Überforderung oder Härte hören lässt.
Dieses Gastspiel bot einen Blick in die Musik einer Region, die gerade in Luxemburg viele als Heimat oder Urlaubsgebiet zu schätzen wissen, aber dabei diese kulturelle Seite wohl weniger im Ohr haben. Deshalb wurde es Zeit, hier die Lücken zu verkleinern.