Ein nordisches Programm war im rezenten Konzert des Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL) zu hören. Dima Slobodeniuk war der Gastdirigent des Abends und brachte nach der Pause die beiden letzten Symphonien von Sibelius zu Gehör. Für das Violinkonzert von Carl Nielsen kam vorher auch Baiba Skride als Solistin dazu. Wie diese Zusammenarbeit funktionierte, berichtet Uwe Krusch für Pizzicato.
Während die beiden Symphonien zuletzt 2017, ebenfalls zusammen, hier zu hören waren, erklang das Konzert von Nielsen erstmals in der Philharmonie. Dieses Violinkonzert ist neben dem von Sibelius vielleicht das bekannteste und doch gleichzeitig so unbekannt. Wenn man es denn einmal zu hören bekommt, offenbart es seine melodienselige Seite, die immer wieder durch moderner anmutende Einwürfe aufgebrochen wird. So vermeidet Nielsen eine Leutseligkeit von nachpfeifbaren Melodien und vielleicht auch, dass dieses Werk die Aufmerksamkeit bekommt, die es verdienen könnte.
Baiba Skride stattete den Solopart mit einen Ton aus, der unfehlbar schön war. Sie produzierte keine störenden Nebengeräusche und integrierte ihr Vibrato unauffällig in die Klangfarbe. Wenn man etwas vermissen mochte, dann, dass sie nicht zu den kühnsten Solisten gehörte, wenn romantische Gesten und große Höhepunkte gehört werden wollten. So mochte man protzige Darstellungen virtuoser Kunst vermissen. Aber der Ausdruck ihres Spiels war immer intensiv, ehrlich, direkt und überzeugend. Beim eher neoklassisch geschriebenen Nielsen offenbarte sich diese Herangehensweise als sehr geeignet. Sie verlieh dem Werk sowohl in Bezug auf den Klang als auch auf die Struktur eine große Spannkraft. Die gewisse Nüchternheit ihres Spiels und ihres Auftretens mochte dazu führen, dass man sich gelegentlich gewünscht hätte, Skride würde mehr auf Effekte setzen. Doch es steht außer Frage, dass dies ein außergewöhnliches Spiel und Musizieren voller Wärme und Ausdruckskraft war.
So trug Skride ihren Teil zu einer sehr anregenden Darstellung bei. Doch auch das Orchester unter der Leitung von Dima Slobodeniuk zeigte, dass sie sich diesem Werk intensiv geöffnet hatten. Gab es hier auch noch Momente, in denen das Zusammenspiel von Orchester und Solisten nicht vollends harmonierte und insbesondere Tempowechsel nicht so akkurat nachvollzogen wurden, so war der Gesamteindruck doch der eines mitgehenden Ensembles, das der Stimme der Solistin und dem Dirigat des Gastes inspiriert folgte. Die Darstellung der Musik wurde mit intensiven Farben und auch orchestraler Strahlkraft vorgetragen.
Nach der Pause hatte Slobodeniuk die sechste und die siebte Symphonie von Jean Sibelius unter seinem Dirigat. Er hat seine Ausbildung in Russland und Finnland, auch bei Leif Segerstam und Jorma Panula genossen. Insofern durfte man hoffen, dass er ein Gespür für Sibelius hat. Und tatsächlich erklangen die beiden Werke in überzeugenden Interpretationen. Slobodeniuk setzte dabei auf eine formschöne Sicht, die sich mit der von Sibelius selbst zumindest bei der sechsten Symphonie geäußerten Idee der Naturbeschreibung deckte. Und zwar eher in dem Sinne der einnehmenden Natur als einer kalten abweisenden, wie man sie in Finnland auch vermuten mag. Insoweit blickte er wie Skride auf die Musik, ohne Affekt, aber mit Tiefe. Dazu hatte auch der Umstand beigetragen, dass beide Symphonien ohne Pause und damit auch ohne Applaus gespielt wurden und damit als ein symphonischer Kosmos erklangen. Dazu trägt auch bei, dass die Sechste in der Stimmung endet, in der die Siebte beginnt, so dass Sibelius diese Einheit mitkomponiert zu haben scheint.
Hier kam das Orchester, wohl auch Dank des sehr gepflegten und gestalterisch feinen Dirigats des Gastes wieder zu der Einheit des Ensembles, die man gewohnt ist und auch erwartete. So gelang es Dirigent und OPL, die nicht ganz einfach zu hörenden Werke zu musikalischen Landschaften zu formen, die einen intensiven Eindruck hinterließen. Dass Slobodeniuk nur gezielt die große Kraft entfalten ließ und eher modellierte als markant forderte, bekam der Musik sehr gut und damit auch dem Höreindruck. Auch andere Sichten auf die Musik von Sibelius werden vertreten, die stärker die Kälte und Stränge formulieren. Aber das hier zu hörende Ergebnis überzeugte mit der etwas sonnigeren Sicht. Nicht nur das Publikum, sondern auch das Orchester dankte dem Dirigenten für diesen sehr gelungenen Ausflug in die nordischen Musikwelten.