Patricia Petibon
(c) Eric Devillet

Ein Liederabend der exzeptionellen Sorte erfüllte im Kammermusiksaal der Philharmonie Luxembourg die Agierenden mit Freude und das Publikum mit Begeisterung. Dass es sich dabei nicht um einen klassischen Liederabend handelte, der eine fokussierte Auswahl eines Stoffes oder Komponisten bot, erhöhte den Reiz, meint Uwe Krusch für Pizzicato.

Bis auf den letzten Platz gefüllt zeigte sich der Saal für Patricia Petibon und Susan Manoff. Diese wiederum boten dem Publikum sozusagen eine halbszenische Aufführung ihres reichen Liederreigens. Zwei Dutzend Werke, darunter auch einige dem Klavier vorbehaltene Stücke sowie zwei Zugaben, hatten die beiden Solistinnen ausgewählt, um eine so geniale wie kurzweilige Unterhaltung auf die Bühne zu zaubern, dass jeder begeistert sein musste, sofern er nicht eine historisch starre Aufführung erwartet hatte.

Für die Unterhaltung im positiven Sinne sorgte zunächst und vor allem die Sangeskunst der Patricia Petibon, die jede Schattierung, jede Anpassung an das gerade gesungene Sujet und den Stil des Komponisten nicht nur kennt, sondern mit atemberaubender Technik umzusetzen weiß. Dazu kam ein weitgespanntes Programm, das als thematische Anknüpfungspunkte das Meer sowie den spanisch portugiesischen Sprachraum, also den europäischen und den südamerikanischen Bereich umfasste, einzelne Abzweigungen vom Pfad inklusive. Und sie hatte, wie schon im März, wieder viel Spiellaune und auch kleine Requisiten dabei, die sie mit Charme und Humor einzusetzen wusste. Ihr großer Vorteil ist, dass sie anders als viele, insbesondere die bemühten Comedians im Fernsehen oder auf der Kleinkunstbühne, mit einer Frische und Natürlichkeit agiert, um die man sie beneiden kann. Wenn dann auch mal eine Requisite zu Boden geht, dann baut sie das spontan mit einer liebenswürdigen Bemerkung in die Aufführung ein, so dass aus dem Unfall eine neue Idee geboren wird.

Doch im Vordergrund standen natürlich die Künste ihrer Stimme. Sie kann genauso voluminös wie zart hauchend singen, je nach den Erfordernissen ihr Tremolo oder ihre Tonfarbe anpassen, rezitieren oder bis hin zum ariosen Divenhaften ausgreifen. Allein diese Künste sind so beeindruckend, dass sie der darstellenden Momente des Abends nicht bedürfte, um zu begeistern. Aber sie selbst hat Freude an ihrem begleitenden Spiel und dieser Genuss am eigenen Agieren überträgt sich auf die Begleiterin und das Publikum und nimmt zusätzlich bezaubernd gefangen. So kann sie selbst die Wege der Liebe von Poulenc, die einen salonhaften Ton anschlagen, so leicht und auch so kunstvoll darbieten, dass sich selbst dieser Exkurs zu großer Kunst entwickelt, die die Tiefe der Musik über den ersten Eindruck hinaus bestätigt.

Patricia Petibon
(c) Eric Devillet

Den rauschenden Abschluss und damit die quasi offiziellen Zugaben hatten die beiden Künstlerinnen schon in das gedruckte Programm aufgenommen. Frank Churchills Someday My Prince Will Come aus dem Disney Film Schneewittchen und die sieben Zwerge, ein Schlaflied, und das umso mehr aufputschende Dona Janaina von Francisco Mignone mit dem Stoffpapagei und der stakkatierenden, einen Papagei nachahmenden Stimme ist ein Fest für diese großartige Künstlerin.

Zwei ruhige Zugaben, die das begeisterte Publikum wieder in herzrhythmusverträgliche Bahnen lenkten, schlossen einen großartigen Abend ab.

Doch ist auch noch die ebenso herausragende Pianistin Susan Manoff zu loben. Zwar geht ihr die natürliche Frische im Schauspiel etwas ab. Aber eine Begleiterin, wie es üblicherweise verstanden wird, ist sie eben genau nicht. Ihr Spiel ist genau variabel wie die Stimme der Petibon. Dazu führt sie sozusagen ein eigenes Leben und lehnt sich nicht nur an die Sängerin an. Die aufmerksame und akkurat verschmelzende Nähe zur Melodiestimme findet sich in kaum einmal erlebter Präzision und musikalischer Intimität, die unabdingbar zum Gelingen beiträgt. Das ist nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen, wenn sie mit gespanntem Blick, aber auch mit verzaubertem Lächeln der Petibon folgt und sich ihr pianistisch in die Gesangslinien einbettet, um sie zu untermalen, zu erheben oder auszugestalten.

Daneben kann sie in den eingestreuten Pianosolowerken, wie bei der ersten Gnossienne von Satie, Porz Goret von Yann Tiersen und zwei Stücken von Henri Collet auch unabhängig ihre Qualitäten stilvoll und ausdrucksstark entfalten. Beim offiziellen Schlussstück des Abends durfte sie sich mit den hämmernden Stakkatos bei Dona Janaina mit präziser Prägnanz dem nagelneuen Steinway der Philharmonie widmen.

Stehende Ovationen lockten, wie erwähnt, die beiden beruhigenden Zugaben hervor, mit denen ein glanzvoller Abend dann gefühlt leider viel zu früh zu Ende ging. Einige wenige Bürger Luxemburgs hatten dann am Folgetag noch die Gelegenheit, die beiden Künstlerinnen im hauptstädtischen Conservatoire bei Masterklassen zu erleben. Auch damit macht die Philharmonie über ihren eigenen baulichen Rahmen hinaus ihre Kunst der Stadt zugänglich.

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