Seit die neue Leitung des Orchestre de Chambre du Luxembourg (OCL) im Sattel sitzt, haben Sylvie Charmoy und ihr Team einen Kurswechsel vorgenommen und auch eine neue Richtung eingeschlagen. Ein frischer Look, viele Ideen, neue Konzepte und spürbar Lust, Wagnisse einzugehen: das OCL ist in Aufbruchsstimmung. Es ist eine Richtung, die, wie Pizzicato-Mitarbeiter Alain Steffen meint, nicht ohne Risiken ist, denn das klassische Repertoire für Kammerorchester wird etwas in den Hintergrund gestellt.
Dass die neuen Konzepte auch neugierig machen, das merkte man an den zahlreichen Besuchern im großen Saal der Philharmonie. Und was das Publikum bei diesem ersten Konzert zu hören bekam, war von allererste Qualität.
Wenn ein gutes Orchester und ein hervorragender Dirigent zusammenkommen, dann ist schon mal eine Sternstunde möglich. Natürlich, die Chemie muss stimmen und man muss Lust haben, zusammen zu musizieren. Dies war am vergangenen Dienstag der Fall, und so wurde man Zeuge eines intensiven Konzertabends.
Am Pult stand der deutsch-polnische Dirigent Mateusz Moleda, doppelter Preisträger des Serge Koussevitzky-Dirigierwettbewerbs 2023. Moleda ist aber kein Newcomer, er ist schon seit 20 Jahren als Dirigent tätig und war u.a. Assistent von Marek Janowski. Auf dem Programm des Konzerts mit dem Thema ‘Casser les murs’, standen Orawa für Streichorchester des polnischen Komponisten Wojciech Kilar, das Cellokonzert Nr. 1 von Shostakovich und die 2. Symphonie von Robert Schumann.

Mateusz Moleda
Bereits mit Kilars mitreißendem Werk war schnell klar, das Orchester und Dirigent an einem Strang zogen. Die Streicher klangen wunderschön, das Spiel war ebenso präzise, wie markant und dynamisch. Moleda hatte einen wirklichen Bezug zu dieser Musik und holte auch alles aus ihr heraus. Es ist selten, dass ein Gastdirigent es fertigbringt, innerhalb weniger Proben solch ein musikalisch reiches und nuanciertes Programm auszuarbeiten.

Alban Gerhardt
(c) Sim Canetty-Clarke / Hyperion
Auch die Orchesterleistung bei Shostakovichs Cellokonzert war makellos und beeindruckte durch stilistische Feinheiten und einen packenden Zugriff. Moleda war ein Partner, der auf gleicher Augenhöhe mit dem Solisten zu musizieren wusste. Alban Gerhardt, der für den erkrankten Benjamin Moser eingesprungen war, ist zweifelsohne einer der besten und interessantesten Cellisten der Gegenwart. Spieltechnisch ist er brillant und das wunderbare Timbre seines Instruments ist ein Genuss. Wie Moleda begnügte sich auch Gerhardt nicht mit einer linienförmigen Interpretation, sondern tauchte tief in die Seele der Musik ein. Solist, Dirigent und Orchester harmonierten dabei bestens. Das Resultat war großartig, der jubelnde Applaus verdient. Alban Gehrhardt bedankte sich mit einer Bach-Zugabe.
Nach der Pause folgte die 2. Symphonie von Robert Schumann. Diese Symphonie ist ein Werk, das zeigt, wie der Komponist versucht, aus seiner schweren Depression auszubrechen und letztendlich durch seine Liebe zu seiner Frau Clara über die Krankheit triumphiert. Mateusz Moleda aber traute der Freude nicht ganz; immer wieder machte er mit Akzenten, harten Konturen und einer stellenweise prägnanten Dramatik klar, wie schwer dieser Ausbruch für Schumann doch war. Aber die Zweite ist nicht nur ein Psychogramm des Komponisten, sondern auch eine neue Auseinandersetzung mit der Gattung Symphonie, bei der Schumann beispielsweise Bach-Motive verarbeitet und im Jubelfinale Beethovens ‘An die ferne Geliebte’ zitiert…
Das OCL folgte seinem Gastdirigenten mit Hingabe, Präzision und viel Spielfreude, auch wenn der heikle Beginn des Kopfsatzes dem Orchester nicht ganz gelang. Doch schnell fingen sich die Musiker und dann war bestes Musizieren angesagt. Vor allem waren es aber die Dynamik und Spiellaune des Orchesters einerseits und das große Können des Dirigenten andererseits, die diesen Konzertabend zu einer musikalischen Sternstunde machen.