Der polnische Pianist Krystian Zimerman spielte am Montag vor vollbesetztem Haus ein Bach-Brahms-Chopin-Programm in der Luxemburger Philharmonie. Alain Steffen war für Pizzicato dabei.
Ob Rezensent oder Musikliebhaber, wir alle werden mehr oder weniger vom Image eines Künstlers geprägt und beeinflusst. Musiker, die medienwirksam in Szene gesetzt werden und dabei auch visuell attraktiv herüberkommen oder Interpreten, die sich rarmachen, auf Schlagzeilen und Interviews verzichten, sie alle lösen eine Erwartungshaltung bei uns aus, die von unserer persönlichen Wahrnehmung geprägt ist. Krystian Zimerman ist ein Künstler, der sich eher rarmacht, kaum in den Medien auftritt und oft durch seine kurz vor dem Auftritt bekanntgegeben Programme künstlerische Ehrlichkeit und Authentizität vermittelt.
Eine zweite Frage, die sich stellt, wenn man sich mit Musikern wie Zimerman oder Sokolov beschäftigt, ist die Frage nach der Genialität. Was ist Genialität überhaupt? Ehrlichkeit? Schlichtheit? Reife? Brillanz?
Nun, kommen wir auf das Konzert mit Krystian Zimerman zurück, der sich am Montag vor vollbesetztem Haus mit einem Bach-Brahms-Chopin Programm von seiner allerbesten Seite zeigte. Zimerman haftet natürlich die Aura des Einmaligen an und deshalb war die Erwartungshaltung auch sehr groß und wurde auch nicht enttäuscht. Zimerman, und das macht ihn sympathisch, ist kein Musiker, der das Extravagante aufsucht, der versucht, die endgültige Wahrheit zu finden oder uns gar mit außergewöhnlichen Interpretationen konfrontiert. Nein, Zimerman spielt Musik, er spielt Bach, Brahms, Chopin. Schlicht, einfach, schnörkellos. Unter seinen Fingern klingen die Werke eigentlich so, wie man sie sich vorstellt, wie sie zu klingen haben. Und doch ist alles anders. Was allerdings anders ist, das muss jeder für sich beantworten. Für mich war klar: da saß ein Humanist am Klavier, ein Musiker, der das Menschliche in der Musik aufspürt und weitervermittelt.
Bereits die Partita Nr. 1 BWV 825 von Johann Sebastian Bach entwickelte sich leichtfüßig und optimistisch. Keine Rede von einem intellektuell buchstabierten Bach! Zimerman brachte die Musik zum Fliegen und Funkeln. Bach for ever! Quasi nahtlos fügten sich die Drei Intermezzi op. 117 von Johannes Brahms an. Der gleiche Humanismus, die gleiche Einfachheit, die gleiche tiefempfundene Ehrlichkeit. Zimermans Anschlag war sanft und klar, die Musik schwebte und nahm uns mit ihrer herbstlichen Atmosphäre in jedem Augenblick gefangen.
Nach der Pause folgte Chopins viersätzige 3. Sonate op. 58, die die Vielseitigkeit des Komponisten bestens unter Beweis stellt. Jeder Satz hat seine besondere Stimmung und Dynamik. Zimerman ließ sich auch hier nicht zum Interpretieren verführen, sondern spielte das Werk quasi aus seinem Kern heraus und verband die diversen Stimmungen zu einem überragenden Ganzen, bei dem sich alle Sätze zu einem grandiosen Werk verbanden. Ja, an diesem Abend interpretierte Zimerman nicht, er spielte Musik. Und dafür gab es am Schluss eine berechtigte Standing Ovation und noch drei Zugaben.