Herbert Blomstedt
(c) Philharmonie Luxembourg

Die Reihe ‘Grands orchestres’ in der Philharmonie führt namhafte Ensembles nach Luxemburg. Dass es bei diesen einige gibt, die ihre Spielkultur beinahe perfektioniert haben, hebt sich selbst in dieser Reihe positiv heraus. Ob der Besuch der Wiener Philharmoniker mit Herbert Blomstedt dazu gehört, darüber berichtet Uwe Krusch für Pizzicato.

Zunächst mochte mancher nach einem Blick auf das Programm enttäuscht gewesen sein. Nur zwei Werke standen dort, mit einer recht kurzen Spielzeit. Und diese beiden Stücke gehören nicht in die Reihe der Werke und bei Berwald nicht mal der Komponisten, an die ein Großteil des Publikums denken würde, wenn sie an ein Konzert besuchen wollen. Dass so ein erster Eindruck manchmal total in die Irre führt, konnte man am Mittwoch erleben.

Der schwedische Tonsetzer Franz Berwald hatte schon Zeit seines Lebens nicht oft Erfolg. So musste er sich in Berlin als Gründer eines orthopädischen Instituts und später, zurückgekehrt nach Schweden, als Leiter in einer Glasfabrikation und einer Sägemühle betätigen. Musikalische Anerkennung erfuhr er erst spät.

Die in Luxemburg vorgestellte Dritte Symphonie mit dem Untertitel ‘Singulière’ wurde erst 1905 uraufgeführt und damit hat Berwald sie nicht mehr selbst hören können. Geht er auch in der Harmonik nicht über Zeitgenossen wie Mendelssohn oder Schumann hinaus, so schafft er durch die persönliche Form ihrer Verwendung ein völlig neues Klangbild. Formell findet er eine überraschende Lösung, indem er statt zwei Binnensätzen, einem langsamen und einem Scherzo, das Scherzo in den langsamen Satz einbettet. Ansonsten ist klassischer Einfluss hörbar, wie in den an Beethoven erinnernden Überleitungen im ersten Satz. Der Schlusssatz eröffnet nach der schmachtenden Poesie des Adagios eine feurige Welt, die mit ihrer Lebendigkeit überzeugt. Mit diesen einfachen Mitteln schafft es Berwald, eine eigenständige Sprache zu gestalten.

Dass das Publikum diese deutlich unterschätzte Musik hören und genießen konnte, hatte es einerseits Herbert Blomstedt zu verdanken, der Werke seines Landmanns als einer der wenigen auf das Programm setzt und andererseits dem famosen Orchester, das in diesem Fall der Solist ist. Wenn es auch schon oft geschrieben wurde, so kann man die Qualitäten dieses Kollektivs einfach nur als superb bezeichnen. Jeder Musiker und jede Instrumentalgruppe spielt nicht nur Töne, sondern entwickelt eine Qualität der Klanggestaltung, die ihresgleichen sucht. Das kann man beispielsweise an den Holzbläsern erleben, die einzeln, im Duo oder auch in größerer Kombination so fein gestaltet und aufeinander abgestimmt spielen, dass man mitunter gar nicht weiß, wie viele und welche Instrumente gerade aktiv sind, sondern einfach im Wohlklang badet. Doch die einen herausheben heißt nur, ein Beispiel zu geben und bedeutet nicht, andere abwerten zu wollen. Doch die herausragenden Eigenschaften beschränken sich nicht nur auf den ausgefeilten Klang. Die Entwicklung musikalischer Gedanken erfolgt mit einer Noblesse und Sicherheit, die schier überwältigt.

Herbert Blomstedt
(c) Philharmonie Luxembourg

Die Ausformung der Musik hängt natürlich auch an den gestaltenden Händen des Dirigenten. Der inzwischen über neunzigjährige Blomstedt entwickelt mit eher sparsamen Bewegungen die Welten, die er herausarbeiten möchte. Seine Zeichengebung ohne Taktstock ist weich gestaltet und gibt trotzdem die erforderlichen Akzente, um heikle Stellen des Zusammenspiels oder markante Einsätze so anzuzeigen, dass sie gelingen. Zusätzlich unterstützt seine Mimik das Ausdrucksrepertoire. Es ist immer wieder erstaunlich, dass Maestros fortgeschrittenen Alters auf dem Weg zum Pult ihr Alter erleben lassen, aber sobald sie die Musik gestalten, wie in einen Jungbrunnen getaucht erstarken. Bewundernswert, so ein Konzert stehend und auswendig dirigiert durchhalten zu können und das noch tagtäglich auf Tournee.

Der andere Komponist des Programms war Antonin Dvorak, dessen siebte Symphonie zwar zu den großen des Böhmen gehört, aber sicherlich im Schatten der beiden späteren mit Beinamen, der Englischen Achten und der Neunten ‘Aus der neuen Welt’ steht. Dass ihre etwas kompaktere Form nicht zu Lasten der Qualität geht, wurde ausdrucksvoll dargelegt.

Mehr noch als Berwald verwendet Dvorak Elemente, die dem Charakter der Volksmusik seiner Heimat so überzeugend nachempfunden sind, dass man sie für Volksmusikzitate hält. Diese Anleihen beziehen sich auch auf die Formen, wie beim Scherzo, dessen Furiantcharakter aus wechselnden Zweier- und Dreierrhythmen unmittelbar zum Mitswingen animiert. Dvorak erlebte die Uraufführung seiner Symphonie als Dirigent des eigenen Werkes und es wurde ein Triumph. Hier ist er bereits auf der Höhe seiner persönlichen Tonsprache angekommen. Dass diese auch eine nationale Ausprägung hat, ist in diesem Werk nur wenig ausgeprägt. Das Werk hat ein ziemlich dunkles Timbre, das trotz des Schlusses in Dur erhalten bleibt.

Beide Werke sind teilweise sehr stark und dick instrumentiert. Doch ebenso finden sich kammermusikalisch erlesen gestaltete Passagen, die in den Händen von Blomstedt und den Wiener Philharmonikern ihre Magie entfalten.

Und dann wurden alle noch ein weiteres Mal belohnt, als Blomstedt im Wiener Tonfall den Kaiser-Walzer ankündigte und dann mit dem Orchester eine Version in die Philharmonie zauberte, die ihresgleichen sucht. Wie gesagt, nein besser: ‘superbe orchestre’.

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