Preisträger und Jurymitglieder
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Am gestrigen Donnerstag fand zunächst im Kammermusiksaal der Philharmonie Luxembourg die von den International Classical Music Awards (ICMA) veranstaltete Award Ceremony statt; am Abend folgte das ICMA Gala Konzert im Grand Auditorium des Hauses. Beide Veranstaltungen stellen den krönenden Abschluss der im vergangenen Jahr erbrachten musikalischen Leistungen im klassischen Sektor dar, die von den Mitgliedern des ICMA-Verbundes begleitet und beurteilt wurden. Uwe Krusch berichtet.

Nach dem Grußwort von Philharmonie-Intendant Stephan Gehmacher dankte  ICMA-Präsident Remy Franck, der gleichzeitig Vertreter des lokalen Jurymitglieds Pizzicato ist, der Philharmonie für die Durchführung beider Veranstaltungen. Er dankte der Leitung der Philharmonie und des Orchestre Philharmonique du Luxembourg für ihre Gastfreundschaft und die Professionalität, die die ICMA und er bei der Vorbereitung dieser Veranstaltung erfahren hatten.An beiden Ereignissen nahmen auch viele andere Mitglieder der Jury aus den beteiligten Klassikmedien aus ganz Europa teil.

Nach der weitgehenden Aufhebung der sanitären Maßnahmen in Luxemburg und auch anderswo kamen zahlreiche Gewinner, um ihre Trophäe und ihr ICMA-Diplom 2022 entgegenzunehmen. Remy Franck zeigte den Ansatz der ICMA auf, Interpretationen nach der Qualität und nicht nach wirtschaftlichen Aspekten auszeichnen zu können.

Preisträger und Jurymitglieder
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Einige abwesende Preisträger, zum größten Teil wegen zum Glück wieder stattfindender Konzerttermine anderenorts, hatten Videogrüße gesandt, die eingespielt wurden.

In den oft launigen, manchmal nachdenklichen, immer aber zutiefst erfreuten Dankesworten der Geehrten blieb der Gedanke von Frank Peter Zimmermann, den Michael Korstick bestätigen konnte, im Gedächtnis, der seine Befriedigung darüber formulierte, dass er mit seinem kleinen und feinen Label einen Partner gefunden habe, mit dem er die Aufnahmen verwirklichen könne, bei denen er gerade künstlerisch zu Hause sei und nicht das machen müsse, was ein sogenanntes große Label gerade als wirtschaftlich sinnvoll erachte. Und er wünsche allen jungen Künstlern, dass sie so eine Unterstützung erfahren könnten.

Das Philharmonische Orchester Luxemburg während der Präsentation durch ICMA-Präsident Remy Franck
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Beim Galakonzert traten nicht weniger als neun Solisten sowie das Boreas Quartett Bremen, sechs Dirigenten und neben dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL) das Orchestre de l’Opéra Royal de Versailles auf. Das ICMA-Konzert wurde live gestreamt. Die Veranstaltung wurde von knapp tausend Zuhörern im Grand Auditorium der Philharmonie und von weiteren Zehntausenden von Zuschauern im Radio in Luxemburg sowie Rumänien und online im Netz verfolgt.

Adam Fischer © Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Das OPL wurde zu weiten Teilen von Adam Fischer geleitet, der den Lifetime Achievement Award erhalten hatte. Diese beiden Hauptbeteiligten des Abends eröffneten das Konzert mit einer viele Details sorgsam auslotenden dritten Leonoren-Ouvertüre von Beethoven, die sich mit der kraftvollen Sprache des Komponisten ausformte.

Julian Kainrath
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Gleich im zweiten Programmpunkt durfte man eine besonders herausragende Leistung des an Höhepunkten reichen Abends erleben. Der gerade noch 16-jährige Geiger Julian Kainrath aus Meran entfaltete als Preisträger des Discovery Award nicht nur eine brillante Widergabe von Introduction und Rondo capriccioso von Camille Saint-Saëns, sondern wusste trotz seiner jungen Jahre diesem Werk schon eine sehr persönliche Deutung zu geben, nach der man von diesem wahren Künstler noch viel erhoffen darf.

Giulio Prandi
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Edgardo Rocha
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Giulio Prandi übernahm für das Domine Deus aus der Petite Messe solennelle von Gioacchino Rossini den Dirigentenstab, mit dem er den Choral Music Award gewonnen hatte. Zusammen mit dem OPL begleitete er den Tenor Edgardo Rocha, Mitträger des gleichen Preises. Sie gestalteten eine vom Geiste des Opernkomponisten Rossini geprägte Version des geistlichen Satzes, ohne dessen Stimmung überzustrapazieren.

Ivan Boumans
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Sebastian Androne-Nakanishi
(c) Philharmonie Luxembourg – Eric Engel

Der Composer Award war in diesem Jahr an den rumänischen Komponisten Sebastian Androne-Nakanishi gegangen. Von ihm erklang als Uraufführung die revidierte Version seines Werkes Lan Huahua – The Dark Blue Flower. Hier hielt Ivan Boumans, der Preisträger des vorjährigen Composer Awards, den Dirigentenstab. Er brachte das OPL mit deutlichem und strukturbetonendem Dirigat dazu, die vor allem zwischen Streichern und reichhaltigem Schlagzeugwerk spielenden Farb- und Geräuschspiele mit ostasiatischen Anklängen zum Erklingen zu bringen.

Gennaro Cardaropoli© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Für den Träger des Young Artist of the Year Award, Gennaro Cardaropoli, war ebenfalls ein italienischer Geiger gefunden worden. Zusammen mit dem OPL und wiederum Adam Fischer bot er als Beitrag den Schlusssatz aus dem Violinkonzert von Erich Wolfgang Korngold an. Mit seinen 24 Jahren mochte man ihm die Ehrfurcht vor dem von ihm erstmals öffentlich aufgeführten Werk anmerken. Aber diese ließ dann schnell nach und er konnte sein Können und damit auch die Entscheidung der Jury für ihn in seinem Spiel zweifellos vermitteln.

Michael Korstick
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Als Träger des Special Achievement Awards durfte sich dann der Pianist Michael Korstick im Kopfsatz des ersten Klavierkonzerts von Beethoven präsentieren. Hatte Fischer einen von Mozart abgeleiteten Grundton angeschlagen, der dann zu Beethoven kam, wenn es die Komposition auch deutlich anlegte, so kam er damit mit Korstick, der als einer der profiliertesten Interpreten gerade von Beethoven angesehen werden muss, zusammen. So zeigten sie eine äußerst stimmige und pulsierende Interpretation, die noch den Geist der vorhergehenden Epoche atmete und nicht so sehr den Revolutionär herauskehrte.

Frank Dupree
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Vor der Pause folgte dann noch sozusagen als Rausschmeißer, allerdings im musikalisch feinsten und ansprechendsten Sinne, das Finale aus dem vierten Klavierkonzert des leider wenig gespielten Nikolai Kapustin. Pianist Frank Dupree und Schlagzeuger Meinhard Obi Jenne, beide Preisträger des Assorted Programs Award, wurden sozusagen durch das OPL unter Fischer zum Jazztrio ergänzt, das mit lebensbejahender und überschäumender Energie diesen Komponisten hoffentlich bekannt machen konnten.

Boreas Quartett Bremen
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Nachdem sich das so freudig erhitzte Publikum in der Pause hatte abkühlen können, traten zwei kleine Ensembles auf, die vorher auch schon die Award Ceremony musikalisch bereichert hatten. Zunächst mit In nomine von Thomas Tallis und dann mit dem modernen Three Gadgets: Flashing Flutes von Piet Swerts konnten die vier Damen des Boreas Quartett Bremen als Trägerinnen des Early Music Award sogleich wieder, insbesondere mit dem hochvirtuosen flirrenden zweiten Werk mit ihren diversen Blockföten die Aufmerksamkeit des Auditoriums binden.

Filippo Mineccia und das Orchestre de l’Opéra Royal de Versailles
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Das Kammerensemble Orchestre de l‘Opera Royal de Versailles war als Vertreter des Label of the Year, Château de Versailles Spectacles, angereist und bot mit einem Satz aus dem Sommer der Jahreszeiten sowie ebenfalls von Vivaldi der Arie ‘Alma oppressa’ aus La fida ninfa Barock vom Feinsten. Die Mezzosopranistin Adèle Charvet sang dieses Vokalwerk mit beeindruckend wandelbarer und weicher Stimme.

Der vielleicht anrührendste Moment des Abends war in der von Alessandro Scarlatti stammenden Arie aus La Giuditta, Dormi, o fulmine di guerra zu hören, die quasi einen Kommentar zur Weltpolitik zu geben scheint. Der Titel ‘Schlafe, oh Donnerkeil des Krieges’ deutet nicht auf die Schönheit der Musik hin, die vom Countertenor Filippo Mineccia ebenso feinfühlig wie stimmlich grandios zelebriert und vom Ensemble intensiv und sensibel begleitet wurde. Da durfte man wirklich atemberaubt lauschen.

Die beiden Beiträge vom Artist of the Year, dem Klarinettisten Martin Fröst entfielen leider, da er COVID-positiv hatte passen müssen.

Jakub Hrusa © Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Dann trat dann wieder das OPL in den Mittelpunkt, das mit einem weiteren Dirigenten frisch an die Ouvertüre Karneval von Antonin Dvorak ging. Jakub Hrusa, Symphonic Music Award, hatte augenscheinlich auch schon in den Proben den Stab nicht nur sicher, sondern feingliedrig und sorgfältig gestaltend in der Hand geführt, so dass das OPL einmal mehr seine Möglichkeiten glanzvoll ausschöpfen konnte, was sich vor allem im homogenen, in der Intonation geschärften und geschliffenen Spiel der Streicher offenbarte.

Francisco Coll
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Francisco Coll, Contemporary Music Award, trat als Dirigent seines Werks Aqua Cinerea auf, hatte gleichzeitig den Orchestra Award gewonnen sowie sich und dem OPL zu der von der ICMA-Jury gekürten CD des Jahres verholfen, die das Ensemble mit Colls Werken unter seinem Chef Gustavo Gimeno und mit Patricia Kopatchinskaja eingespielt hatte. Das facettenreiche Stück mit lautmalerischen Klängen bot eine weitere Facette seines modernen und zugleich doch zugänglichen Kompositionsstils.

Frank-Peter Zimmermann
© Philharmonie Luxembourg / Eric Engel

Noch einmal ganz große Kunst bot dann zum Schluss Frank Peter Zimmermann, der den Schlusssatz aus dem Brahmskonzert mit dem OPL und Fischer darbot. Als Preisträger des Chamber Music Award und des Concerto Award hatte er gleich zwei Trophäen bekommen und wusste mit seinem unnachahmlich unprätentiösen Spiel bei vollendeter Qualität auch in diesem Moment zu überwältigen.

Alle Beteiligten hatten gezeigt, dass sie die Preise durch ihre Leistungen erworben haben und nicht durch außermusikalische Aspekte. Vermutlich kein einziger Zuhörer bedauerte, das um 23 Uhr endende Konzert bis zum letzten Ton verfolgt zu haben. Ein großer Abend für die ICMA und die agierenden Künstler.

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