Philippe Herreweghe
(c) Michel Hendryckx

Mit dem von der historischen Aufführungspraxis herkommenden Dirigenten Philippe Herreweghe und dem klangopulenten  ‘Concertgebouw Orkest’ trafen am Sonntagabend in der Philharmonie zwei grundverschiedene Aufführungstraditionen aufeinander, die gerade bei dem Violinkonzert von Ludwig van Beethoven und der 2. Symphonie von Robert Schumann auf eine spannende Auseinandersetzung hoffen ließen. Doch Alain Steffens Hoffnungen wurden enttäuscht.

Als Einstieg spielten die Musiker Anton Weberns Orchesterbearbeitung der ‘Sechs Deutschen Tänze’ von Franz Schubert, ein Werk, das über Nettigkeitscharakter nicht hinauskam und erstaunlicherweise auch den wohligen Klang des ‘Concertgebouw Orkest’ vermissen ließ. Die Chemie zwischen Herreweghe und dem Orchester schien dann auch nicht zu stimmen, so dass weder bei Beethoven noch bei Schumann wirklich überzeugende Interpretationen zustande kamen. Das lag aber hauptsächlich an dem wild zappelnden Dirigenten, der vergebens versuchte, sein aus der historisch informierten Aufführungspraxis abgeleitetes Konzept auf das traditionsreiche Orchester zu übertragen. Statt  fließender Melodik und musikalischen Atem gab es nur Hektik. Herreweghe versuchte sowohl Beethoven wie auch Schumann zu buchstabieren, Akzente zu setzen und permanent eine Spannung aufzubauen. Anstatt loszulassen, die Musik die Chance zum Atmen und Fließen zu geben, dirigierte Herreweghe genau so, als hätte er sein ‘Orchestre des Champs-Elysées’ vor sich. Der Kopfsatz des Violinkonzerts brach dementsprechend immer wieder auseinander, ebenso das Largehtto, das zwar bis zum mehrfachen Pianissimo atemberaubend vom Orchester gespielt wurde, aber durch einen Mangel an Emotionalität nie wirklich berührte. Das abschließende Rondo kam dann Herreweghes Konzept mehr entgegen, aber es war am Schluss dann doch zu wenig, um von einer gelungenen Aufführung zu sprechen.

Isabelle Faust ist für mich neben Anne-Sophie Mutter die weltbeste Violinistin der Gegenwart. Während Mutter einen eher symphonischen Geigenklang vorzieht, merkt man ganz deutlich, dass Isabelle Fausts Interpretationen aus der Kammermusik herkommen. Allein ihr Spiel im Violinkonzert von Beethoven war den Konzertbesuch wert, wenn auch die Violinistin nicht mit der gleichen Souveränität und Kunstfertigkeit spielte, die wir von ihr gewohnt sind. Irgendwie schien sie durch Herreweghes Konzept und vor allem durch diese hektischen und oft unberechenbaren Tempi gehemmt, so dass sie her „auf Nummer sicher“ spielte. Und trotzdem war es ein wundervolles Erlebnis, der Kunst dieser Musikerin zuzuhören, wie fein nuanciert und kammermusikalisch sie versuchte, den Violinpart mit dem des Orchesters zu harmonieren, das ebenfalls nur auf Sparflamme zu spielen schien. Gleiche Hektik dann nach der Pause. Anstatt die 2. Symphonie langsam aufzubauen und konsequent auf das Jubelfinale hinzusteuern verschoss Herreweghe bereits in einem überladen dirigierten Kopfsatz all sein Pulver, so dass dadurch das Scherzo kaum noch zur Geltung kommen konnte. Auch im Adagio und im abschließenden Allegro konnte der Dirigent nur eine gekünstelte Spannung aufbauen, die eigentlich nur seinem eigenen Konzept, aber nie wirklich dem Werk diente. Und das ‘Concertgebouw Orkest’? Nun, es spielte routiniert und korrekt. Das, was die Musiker wirklich können und was ich schon in vielen ihrer Konzerte gehört habe, das spielten sie an diesem Abend nicht aus. Und wenn man die Augen schloss, dann klang das ‘Concertgebouw’ wie ein ganz normales, durchschnittliches Symphonieorchester. Natürlich war das Resultat trotz allen Einwänden aber wiederum zu gut, um wirklich als schlecht bezeichnet zu werden.

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