Andrew Manze
(c) Eric Engel

Nur zwei Werke, dafür aber solche von Gewicht und großem Format präsentierte das Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL) mit seinem Gastdirigenten Andrew Manze. Solist war der Pianist Martin Helmchen. Über diesen Abend berichtet Uwe Krusch.

Ohne Ouvertüre ging es in medias res mit dem ersten Klavierkonzert von Johannes Brahms. Dieses in einem mehrjährigen Prozess entstandene Werk bildet einmal mehr die Zweifel ab, die Brahms bei seinen Kompositionen oftmals packten. Herausgekommen ist eine Komposition, die einen echten Dialog zwischen Klavier und Orchester vorsieht und nicht etwa dem Orchester eine untermalende Statistenrolle hinter dem brillierenden Solo zuschreibt.

Alle Beteiligten an diesem Abend wussten sich mit Inbrunst ihrer Rollen anzunehmen. Gleich der dunkle Einsatz im Orchester wurde mit Energie und nach dem Dirigat von Manze in stringentem Tempo angegangen. Dieses Tempo und diese Intensität wurden zwar nicht immer durchgehalten, aber die Musik muss ja auch die Luft zum Atmen haben. Aber der Grundton war gesetzt, der möglichweise im Hinterkopf des Engländers auch etwas von teutonischer Wucht verkörpern sollte. Doch wurde dieser Aspekt nicht in den Vordergrund gerückt. Vielmehr entwickelte sich ein fließend bis treibend intensives Orchesterspiel, in das der Solist Martin Helmchen seine Partien einfügte. Manze und Helmchen, die sich schon aus der Einspielung der Beethovenkonzerte gut kennen, fanden auch an diesem Abend eine äußerst enge Verbindung zueinander, so dass das Miteinander ohne Abstriche gelang.

Helmchen pflegte eine differenziert eingesetzte Technik, vorwiegend mit Non-Legato. Dadurch erklang der Klavierpart präzise und schlank, ohne Kraft und Ausdruck einzubüßen. Introvertiert und fast versunken, so der optische Eindruck, agierte er an den Tasten. Doch in Anbetracht der engen Abstimmung mit Dirigent und Orchester konnte er gar nicht abwesend sein. Im Anschluss wirkte er fast erschöpft, aber auch gelöst, nachdem er diesen umfangreichen Solopart mit den Kadenzen des Komponisten gemeistert hatte. Mit einem Choralvorspiel von Johann Sebastian Bach setzte er noch eine feine Abschlussstimmung.

Andrew Manze
(c) Eric Engel

Manze hatte bereits hier mit seiner an historisierender Orchesterarbeit geschulten Stabführung kammermusikalisch präzise und plastisch dirigiert. Wobei das hörbare musikalische Ergebnis deutlich spannender und differenzierter ausfiel als seine weitgespannten Armbewegungen mit prägnanten Fingerziegen dies erahnen ließen.

Die erste Symphonie von Edward Elgar verbuchte bei ihrer Uraufführung einen rauschenden Erfolg. Arthur Nikisch, der dieses Werk Brahms‘ Fünfte genannt hat, war nicht der einzige, der die Qualitäten dieser Symphonie sah. In der Spanne zwischen majestätischem Schreiten und an die schroffen Klippen der Westküste tosenden Wellen mag derjenige, der eine Verbildlichung von Musik liebt, schon im ersten Satz denken. Manze ließ das Orchester das Nobilimente des Beginns mit Genuss auskosten und brachte erst später das anziehende Tempo zum Einsatz. Manze und dem OPL gelingt es, die langsamen Passagen auszukosten und lebendig zu gestalten, ohne deswegen die Entwicklung des musikalischen Flusses zu behindern oder gar Langatmigkeit zu produzieren. In den schnelleren Abschnitten wirkt die Komposition auch aus sich heraus. Dieses Werk gehört sicherlich nicht zu schlank gesetzten der Musikgeschichte. Und so branden dichte Tonwolken von der Bühne, doch gelang es Manze und dem OPL jederzeit, noch die Durchhörbarkeit zu gewährleisten.

Es war ein großer Verdienst, dass diese Symphonie auf dem Programm des OPL stand. Zum einen machte sie eine wichtige Bereicherung des Spielplans aus. Zum anderen schulte sie das Ensemble an einer stilistischen Richtung, die es nicht allzu oft bewältigen muss. Und ob es nun an dem Interesse für das Werk, an dem fordernden Dirigat von Manze lag oder andere Aspekte eine Rolle spielten, an diesem Abend bewies das OPL einmal mehr, dass es ein hervorragendes Orchester sein kann, dass es sich beileibe nicht hinter diesem oder jenen Gastorchester im Hause verstecken muss. Der Vergleich in dieser Woche fiel jedenfalls eindeutig zugunsten des OPL aus. Alle Instrumentengruppen glänzten. Wegen der großen Homogenität möchte man eigentlich niemanden hervorheben. Aber gerade im Vergleich konnten die Holzbläser besonders eindeutig punkten. Auch der Konzertmeister des Abends, Philippe Koch, konnte in kleinen Soli und als Koordinator neugewonnene Frische, Präsenz und Sicherheit beweisen.

Stadt und Land Luxemburg können und sollten sich also freuen, so ein Ensemble zu haben. An guten Abenden ist dieses Orchester brillant. So ein Abend war jetzt.

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