Mariss Jansons
Photo: BR

Die Gäste des jüngsten Konzertes im Rahmen der Reihe ‘Grands chefs’ waren zugleich solche der ‘Autour de l’orgue’-Reihe. Dabei spielte das ‘Symphonieorchester de BR’ unter Mariss Jansons französische Werke in eine klassische Programmfolge aus Ouvertüre, Solokonzert und Symphonie. Pizzicato-Mitarbeiter berichtet.

Das Konzert eröffnete mit ‘Der Römische Karneval’, einer der bekannten Ouvertüren von Hector Berlioz, wobei man dieses Werk wohl auch als symphonische Dichtung bezeichnen könnte. Dieses gern gespielte Werk eröffnet im kleinen Rahmen die Möglichkeit, die Instrumentationskunst von Berlioz kennenzulernen. Damit ist es eine feine Visitenkarte für ein außerordentliches Orchester wie das ‘Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks’. Jansons, der nun auch schon ein fortgeschrittenes Alter erreicht hat und zu den großen Chefs gerechnet werden darf, kann mit seiner feinen Dirigierart und einer meist freundlichen, aber auch ein wenig maskenhaft wirkenden Mimik, einem Werk eine markante Struktur geben und diese auch seinem Orchester vermitteln, das es dann auch die Zuhörer weiterreicht. So konnte das Ensemble dieses lebensfrohe Treiben des römischen Karnevals, das Pferderennen auf dem Corso, das Liebesgeflüster der Maskierten und die wilde Ausgelassenheit des Volkes im Saltarello schildert, mit der begeisternden Akkuratesse und Eleganz der klar geordneten Gestaltung so vermitteln, dass auch die fröhliche Stimmung erfahrbar wurde.

Nachdem zwei Wochen vorher das Philharmonische Orchester Luxemburg das Konzert für zwei Klaviere von Francis Poulenc vorgestellt hatte, boten die Gäste jetzt dessen Orgelkonzert, zu dem Iveta Apkalna den Solopart übernahm, bei dem sie für die zweite Solopartie der Pauke vom Paukisten des Orchesters unterstützt wurde. Dieses Aufeinandertreffen beider Stücke kurz hintereinander bot die Gelegenheit zum Vergleich. Wobei ein Vergleich irgendwie auch schwerfällt, da das Klavierkonzert mit fröhlichem Grundton und größerer Verspieltheit so ganz anders ist als das Orgelkonzert, das eine sehr viel tiefsinnigere Geschichte erzählt. Damit ist es auch nicht so einfach zugänglich für das Ohr des Hörers. Dass es trotzdem großen Anklang im Auditorium fand, lag an der mitreißenden Darbietung.

Iveta Apkalna hatte ihren Platz wie alle Solisten an der Rampe links vom Dirigenten gefunden. Allerdings war der Spieltisch für die Orgel mit dem Rücken der Solistin zum Publikum gedreht, so dass man während der Aufführung ihr wie die Bekleidung eines Außerirdischen anmutendes goldfarbenes Kostüm von hinten besichtigen konnte. Das schaffte die Möglichkeit, Sie beim Spielen zu beobachten, was dann allerdings bei der Zugabe noch spektakulärer wurde. Im barockhaft zu Ehren Bachs angelegten Konzert von Poulenc blieb es optisch bei normalem Spiel, das eher durch auffallende Klangeffekte aufhorchen lässt. Das beginnt schon mit dem eröffnenden Andante, bei dem sich die Orgel mit vollem Werk gleich markant zu Wort meldet. Die bedrohlich anmutende Reaktion des Orchesters zeigt dann auch gleich den zweiten Solisten, den Paukisten. Dieses zu den bedeutendsten Werken für die Orgel zählende Stück verteilt die Musik immer wieder zwischen Soli, Orchester und auch gemeinsamen Passagen, die aber immer der Orgel ihren Raum lassen.

Für Apkalna stellte dieses Werk augenscheinlich keine unlösbaren Aufgaben. Mit Nonchalance bewältigte sie ihre Partie und konnte die große Orgel der Philharmonie im besten Licht leuchten lassen. Durch das Holz des Interieurs des Konzertsaales hat die Orgel dort ein etwas anderes Timbre als in den allermeisten Kirchen, die aus Stein gebaut sind. Diese etwas wärmere Prägung gibt dem leicht abgekühlten Klang von Poulenc eine neue Facette an Ausstrahlung, die dem Werk bekommt.

Zum optischen Hingucker wurde dann die Zugabe der Organisten, die von Thierry Escaich, die ‘Evocation’ Nr. 2 darbot. Mit beinahe konstantem marschartigem Pedaldoppelspiel und dazu wie unabhängig wirkendem Agieren auf den Klaviaturen bewies sie nicht nur ihre Fingerfertigkeit und rhythmische Sicherheit, sondern zeigte sie wiederum auch als versierte Gestalterin der musikalischen Linien des Werkes. Auch die Orchestermitglieder, nicht nur das Publikum, schienen von der Magie dieses Werkes angesteckt.

Auch nach der Pause kehrte die Solistin zurück, wenn auch am optischen Rande und auch musikalisch nicht im Zentrum des Geschehens. Mit der dritten Symphonie von Camille Saint-Saëns fand eines seiner bekanntesten und auch meist gespielten Werke auf den Plan.

Vor den beiden herausfordernden und einnehmenden Zugaben bot diese Symphonie der Solistin eine neue Rolle, da neben dem Klavier, teilweise vierhändig zu spielen, der Orgel eine besondere Rolle zukommt. Diese tritt zwar erst im Laufe des Werkes in Erscheinung, hat dann aber eine prominente Stimme. Trotzdem stellt sie einen Teil des gesamten Kosmos dar, der vom Orchester unter der auch hier souveränen Leitung von Jansons zusammengehalten und in die Bahnen gelenkt wird.

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ist eines der präzisesten und auch mit größter Kraftentfaltung spielenden Orchester, die es gleichwohl verstehen, diese Äußerlichkeiten mit solcher Maßhaltung einzusetzen, dass die Musik sich mustergültig entwickeln kann und immer im Vordergrund steht. Es wurde also keine Kraftmeierei betrieben, sondern die Qualitäten wurden in den Dienst der Komposition gestellt und sinnstiftend eingebaut. Die Plastizität und Feingliedrigkeit der Darstellung sucht ihresgleichen. Damit erhielt diese eng orchestrierte Komposition eine durchhörbare Form, die ihre ausgefeilte Kompositionsweise deutlich werden lässt. Diese große Deutung wurde vom Publikum mit großem Applaus bedacht.

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