Ob die Filarmonica della Scala unter dem Dirigat von Riccardo Chailly ihrer Rolle im Rahmen der Reihe Große Orchester im Konzert in Luxemburg gerecht wurde, berichtet Uwe Krusch. Als Solist kam von Beginn an im Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy der Geiger Ray Chen hinzu.

Chailly erwies sich von Beginn an als jugendlich agil wirkender und hochkonzentriert agierender Leiter, der die Partituren kannte und die Beteiligten aufmerksam unterstützte. Wie auch die Musiker des Orchesters, soweit möglich, trug er den ganzen Abend eine FFP2-Maske. Doch das hinderte ihn nicht an einem inspirierenden und sicheren Dirigat, dass alles, was möglich war, aus den spielenden Musikern zu entlocken wusste.

Das Orchester ließ bereits in den einleitenden Takten von Mendelssohns Konzert hören, dass es eine besondere Klangfarbe pflegt und mit einer sensiblen Begleitung von Solisten aus seiner großen Erfahrung im Opernrepertoire umgehen kann. So begleitete es ohne Probleme den Solisten bei seinem Auftritt. Das Zusammenwirken entfaltete sich mühelos abgestimmt.

Ray Chen, u. a. Gewinner der Wettbewerbe Yehudi Menuhin und Queen Elisabeth, was auch schon wieder fast eineinhalb Jahrzehnte zurückliegt, kann sich seitdem illustrer Partner für seine Auftritte erfreuen, wie auch an diesem Abend. Seine große mediale Präsenz nützt ihm im Konzertsaal nichts, da muss er sich den Anforderungen des Moments stellen. Er pflegte einen großen solistischen Auftritt, wobei ihn das in der Besetzung kaum verkleinerte Orchester insofern auch forderte. Im Grunde beherrschte er seinen Part sicher und gestaltete auch ansprechend, wenn da nicht eine große Reihe Schlenzer und Drücker gewesen wären. Diese verliehen seinem Spiel einen aufgesetzt und auch unruhig wirkenden Charakter. Schwierig auch seine optischen Affinitäten. Dass ein Musiker sich zu der Musik, die er spielt, bewegt und auch seine Mimik da mitgeht, ist sicherlich gewollt und begrüßt. Aber da die Emotionen mehr in der Mimik gezeigt als im Spiel gehört werden, dann läuft die Gewichtung nicht rund.

Als Zugabe ließ Chen die 21. Caprice von Niccolo Paganini mit den Tempobezeichnungen Amoroso – Presto hören. Auch hier wusste er dass, was er auf dem Instrument ausdrücken wollte, durch eine variable Mimik auszuschmücken.

Als Hauptwerk für das Orchester wurde die 1. Symphonie von Gustav Mahler interpretiert. Chailly, der sich als Dirigent für diesen Komponisten sicherlich einen herausragenden Namen gemacht hat, war da in seinem Element. In den ersten drei Sätzen bot er sich mit Ruhe und Sorgfalt entwickelnde Klanglandschaften an, die das Orchester und seine Solisten alle Zeit für Entfaltung boten, was sie auch nutzen.

Übrigens ist hier die Philharmonie Luxemburg nicht auf der Höhe der Zeit, wenn sie im Abendprogramm diese Symphonie als Titan vermarktete. Mahler hat diesen Titel anfangs selber benutzt, als er das Werk gedanklich noch zwischen symphonischer Dichtung und Symphonie und mit dem Blumine-Satz konzipierte. Doch später, jedenfalls für die an diesem Abend gespielte viersätzige Form, zog er den Titel zurück, so dass der hier deplatziert war. Oder meinte die Philharmonie, sie benötige zugkräftige Formulierungen, um attraktiv zu wirken? Ich denke, der Großteil des Publikums ist intelligent genug, auch so die Qualitäten zu erkennen, die ihm geboten werden.

Dass das Orchester zumindest an diesem Abend einen blauen Montag hatte, wurde nicht nur aus der teilweise apathisch wirkenden Körperhaltung der Musiker und dem entsprechend wenig engagierten Spiel deutlich. Das Solo des Kontrabasses am Beginn des dritten Satzes geriet nicht wirklich sauber. Sonst allerdings durfte man insgesamt über sehr schöne Beiträge vor allem der Bläser freuen. Und auch die Soli am ersten Geigenpult hatten ihren Charme. Wenn die Blechbläser aus der Ferne, die Klarinetten ihre Instrumente hoch erhoben spielten oder die Horngruppe, mit Trompete und Posaune farblich ergänzt, am Ende aufstanden und so die besonderen, von Mahler gewünschten Klangeffekte hörbar wurden, dann waren besondere Momente zu erleben. Insgesamt gewann das Werk im vierten Satz an Kraft und Ausstrahlung. Doch blieb Chailly auch jetzt seinem Ansatz detaillierter Sicht treu, was durch das auch in Steigerungen nicht wirklich laut spielende Orchester gestützt wurde. Das Ensemble blieb in den Möglichkeiten der Kraftentfaltung und der Durchsichtigkeit hinter anderen zurück.

Das Publikum konnte sich größtenteils an dem Gehörten ergötzen. Es gab sogar einige Jugendliche, die Groupies im Rockkonzert gleich, kreischend und wild gestikulierend ihrer Begeisterung Ausdruck verliehen.

  • Pizzicato

  • Archives