Piotr Beczala & Helmut Deutsch
(c) Eric Devillet

Geradezu frenetischer Applaus und wiederholte Bravorufe standen am Ende des Liederabends, den Piotr Beczala zusammen mit dem Pianisten Helmut Deutsch im Kammermusiksaal der Philharmonie gab. Welches Programm es zu hören gab und mit welchen Mitteln es realisiert wurde, weiß Uwe Krusch für Pizzicato zu berichten.

Der Abend teilte sich in zwei Teile. Im ersten gab es allein die Dichterliebe von Robert Schumann zu hören. Im zweiten Teil standen weitaus weniger bekannte Lieder auf dem Programm, nämlich solche von Tchaikovsky und Rachmaninow.

Piotr Beczala nutzte den Zyklus Dichterliebe, um gleich einige Merkmale seines Stils vorzustellen. Das ist zum einen seine durchaus sehnig kräftige Stimme, mit der er, so meint man, den Kammermusiksaal zum Bersten bringen kann. Aber er kann auch am Ende sehr leise verschattet singen, als ob er in dem Moment heiser wäre und keine Stimme mehr hätte. So geschehen schon ‘Im wunderschönen Monat Mai’, wo er auf ‘aufgegangen’ bzw. ‘Verlangen’ nur noch, als Stilmittel, von den Stimmbändern schabt. Ähnlich hatte es schon Peter Schreier getan, aber bei weitem nicht so deutlich. Das mag man bei Beczala übertrieben finden, aber es wirkt auch stilvoll für den nachtrauernden Ausdruck des damaligen Glücks, das vergangen ist.

Doch Beczala kennt nicht nur diese Extreme, sondern ist in der Lage, dazwischen sehr viele Ebenen und Ausdrucksstile zu realisieren. Zu keinem Zeitpunkt hatte man den Eindruck, dass er sich anstrengen musste. Eine der Schwierigkeiten des Abends war die Kürze fast aller gesungenen Werke, die immer wieder zu einem neuen Ansatz und deshalb einer anderen Auseinandersetzung mit der Materie zwang. Das gelang sehr gut und mit durchaus unterschiedlichen Timbres, die doch die Einheit des Zyklus nicht aufheben.

Dazu kommt eine hervorragende Aussprache und Artikulation des Deutschen. Hat er in anderen Sprachen auch schon schwächere Ansätze gezeigt, so ist sein Vortrag in Deutsch hervorragend. Obwohl es mir dazu an eingehenden Kenntnissen fehlt, hatte ich den Eindruck, dass auch die russische Sprache ihm nicht minder leicht und passend von der Zunge geht.

Piotr Beczala & Helmut Deutsch
(c) Eric Devillet

Piotr Beczala widmet sich mit Hingabe auch dem russischen Liedgut. Sind auch die etwa 100 Lieder von Tchaikovsky und die die rund 80 von Rachmaninov nur einem kleineren Kreis bekannt, so fügte sich die Auswahl mit ebenfalls romantischer Note und ähnlichem strukturell kurzem Aufbau, zu dem das Klavier teilweise mit Vor- und oder Nachspielen eigene Akzente setzt, zu einem Ganzen. Auch auf diesem Terrain gestaltete Beczala den Text ebenso deutlich wie mit Einfühlungsvermögen, so dass er das Verständnis für den Text übermitteln konnte. Mit der kernigen Stimme und darstellerischer Klarheit verhinderte er, dass der romanische Charakter der Musik eine süßliche Note bekam.

An seiner Seite agierte mit Helmut Deutsch ein Urgestein der Liedbegleitung, könnte doch Beczala sein Sohn sein. Im Grunde ist der Stil seines Klavierspiels genauso kernig, markant und fast frei von verspielten Affinitäten, abgesehen vielleicht von den immer ausgeprägten Fermaten am Ende. Dabei darf der Begriff Urgestein nicht im Sinne einer gefühllosen Starre in die Irre leiten. Vielmehr beschreibt er einen mehr als nur versierter Begleiter, den ich schon Mitte der Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts mit Hermann Prey erleben durfte. Seine Erfahrung bot ihm auch in diesme Konzert die Möglichkeit, auf den Punkt zu agieren. So ventilierte er aufmerksam den von ihm Begleiteten, um ihn zu stützen. Aber er konnte auch expressiv und eindrucksvoll seinen Part hervorheben und gestalten, ohne deswegen den Sänger zu beeinträchtigen oder zu übertönen. Mit ihrem klaren und ausbalancierten gemeinsamen Agieren vermieden sie jede Form von Rührseligkeit, ohne deswegen die Lieder ihres emotionalen Gehaltes zu berauben.

Als Zugabe sang Beczala dann noch ein Lied aus seiner Heimat. Mieczysław Karłowicz hat in seinem op. 1 sechs Lieder zusammengefasst. Der 5. Text, ‘Ich erinnere mich an ruhige, helle, goldene Tage’ (Pamiętam ciche, jasne, złote dnie) stammt aus der Feder von Kazimierz Tetmajer.

 

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