Philharmonie Luxembourg
Chamber Music Hall
(c) Sébastien Grébille

Eine Steigerung an gestalterischer Ausdruckskraft im Verlauf des Abends konnten die Zuhörer der ‘Camerata’-Veranstaltung am Montagabend im Kammermusiksaal der Luxedmburger Philharmonie erleben, so jedenfalls empfand es Uwe Krusch, der berichtet.

Mitglieder der ‘Solistes Européens Luxembourg’ haben schon Anfang der Neunzigerjahre des vorherigen Jahrhunderts das ‘Vlach Quartett Prag’ gegründet, das den Namen seiner Primaria trägt und deren Vater schon ein gleichnamiges Ensemble führte. Bei der Verbindung zu den ‘Solistes Européens’ lag es nahe, für ein von Quintettwerken geprägtes Programm die Kollegin Petra Vahle aus dem in Luxemburg ansässigen Orchester hinzuzunehmen. Dieses so erweiterte Ensemble trat nun an, um das Ergebnis der Arbeit zu präsentieren.

Die Palette der Kompositionen war weit gestreckt. Ausgehend vom g-Moll Quintett von Mozart über das elfte Quartett von Dmitri Shostakovich, bei dem das Quartett sich naturgemäß auf seine Stammbesetzung beschränkte, bis hin zu dem Es-Dur Quintett von Dvorak reichte die Palette.

Mozarts Werk in der bei ihm immer dunklen Tonart g-Moll, das nur einen Monat nach dem C-Dur Schwesterwerk entstand, eine Kombination, die sich auch ein Jahr später bei den Symphonien KV 550 und 551 findet, zeigt eine klassische viersätzige Form mit typischen Aufbaumerkmalen wie dem Sonatensatz am Beginn, aber auch Abweichungen, wie das untanzbare Menuett an zweiter Stelle und dem langsamen Beginn des Abschlusssatzes, dessen Tempo sogar noch das des langsamen Satzes unterschreitet. Erst im Verlauf wechselt er ins in G-Dur gesetzte Allegro, das die Trostlosigkeit und Verzweiflung der vorherigen Musik einfach wegwischt und damit einen starken Kontrast schafft.

Vlach Quartet & Petra Vahle
(c) Sébastien Grébille

Dem erweiterten ‘Vlach Quartett’ gelang eine die formalen Merkmale mustergültig herausstellende Interpretation. Überhaupt darf man die Gestaltung, vor allem auch von Übergängen innerhalb der Sätze, als das ganz große Positivum dieses Quartetts vermerken. Die Entwicklungen werden so selbstverständlich und selbsterklärend gezeichnet, dass sich manches noch bekanntere Ensemble daraus noch Ideen holen kann. Dabei wird auch deutlich, dass die Musiker, und das umfasst auch das ‘fünfte Rad am Wagen’ nahtlos und beinahe mit blindem Verstehen ineinandergreifen und einen subtil homogenen Klang erzeugen.

Das zwischen die beiden jeweils gut halbstündigen Quintette gesetzte Quartett von Shostakovich gehört sicherlich mit seiner gut viertelstündigen Dauer nicht zu den am häufigsten aufgeführten Werken des Russen. Die sieben Sätze, die aneinandergereiht zu spielen sind, setzen die durch das Werk Mozarts geschaffene Stimmung fort, allerdings wird aus der Melancholie bei Mozart hier eher eine verbissene und unheimliche Düsternis. Das von der ersten Violine eingeführte Thema bleibt das ganze Stück über erhalten und entwickelt sich darin weiter. Mechanische und repetitive Elemente prägen den zweiten, Dissonanzen den dritten und in den beiden folgenden werden schnelle Geigentöne den bedrohlichen Akkorden der anderen gegenübergestellt. Erst danach wechselt der Charakter hin zu einer weniger bedrohlichen, dafür elegisch tragischen Stimmung.

Den Musikern gelang eine technisch feine Leistung, die begünstigt durch ihre Spielweise die Abgründe, die bei Shostakovich immer mitschwingen, aufzeigen. Welche Gefühlswelten das waren, hat ja Julian Barnes in seinem Buch ‘Der Lärm der Zeit’ auf wenigen Seiten umso intensiver dargestellt. Allerdings hat diese Spielweise andererseits auch ihre Nachteile. Mag man den harschen und abweisenden Ton bei Shostakovich noch begrüßen, so kann das mitunter fehlende Bemühen um tonliche Schönheit, etwa bei Akkorden, an anderer Stelle doch auch aufstoßen.

Den wohl besten Eindruck bis hin zu einem mustergültigen Spiel hinterließen die Fünf bei dem Es-Dur Quintett von Dvorak. Dieses in seiner Zeit in den USA in dem tschechisch geprägten Städtchen Spilville entstandene Werk sprüht vor Musikantentum und greift die von Dvorak als amerikanisch angesehenen Elemente der Volksmusik der Schwarzen und vor allem der Indianer auf. Aus dieser, nämlich einer anderen als der tschechischen Welt, stammt der ätherische Klang. Er erweckt, zusammen mit den pentatonischen Melodien, den Eindruck einer spontanen, unverbrauchten Musik, die den Blick zugleich wehmütig in die Ferne schweifen lässt. Dichte thematische Arbeit und verschwenderische Klangfülle erinnern an Brahms. Die zweite (Gast-) Bratsche, wie in kaum einem anderen Streichquintett bevorzugt behandelt, eröffnet den zweiten Satz mit dem angeblich indianischen Trommelrhythmus; wobei diese Anlehnungen nur als Bauelemente und nicht als echte Zitate zu hören sind. Das Finale huldigt weitgehend unkompliziertem musikantischem Spiel und ist auch formal als einfaches Rondo angelegt.

Hier waren die Musiker des Abends in ihrem Element und konnten die Schönheiten der Musik so natürlich und kraftvoll gestalten, dass ihr Engagement auch auf das Auditorium übersprang. Wie schon bei Mozart beschrieben, werden auch hier die musikalischen Verläufe und insbesondere die Übergänge lupenrein und überzeugend entwickelt und auch mit einem engagierten spieltechnischen Einsatz gepaart. Dieser Teil war reiner Genuss.

Vor der Pause hatte man manchmal den Eindruck, dass die Musiker sich in die Gründungszeit des Quartetts versetzt hatten und mit angespannten Gesichtern und gemessenem Entgegennehmen des Applauses, der Rückblick sei verziehen, nur einen Beitrag zur Erfüllung des Fünfjahresplans leisten wollten. Wie viel mehr übertrug sich vor wenigen Wochen beim Auftritt eines Solistenquartetts an gleicher Stelle die eigene Freude der Musiker an den dargebotenen Werken…

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