Das Quatuor Ebène hatte im Dezember 2020 sein letztes öffentliches Konzert gegeben und kehrt nun nach einem Sabbatical, das zufällig oder passenderweise mit der Corona-Zeit zusammenfiel, wieder aufs Podium zurück. Dass die vier Musiker in dieser Zeit viel Energie getankt haben und diese nun wieder abgeben müssen, konnte Uwe Krusch im Publikum für Pizzicato in der Philharmonie Luxemburg miterleben.
Auf dem Programm standen drei Werke, die nicht durch ihre sonderlich extravagante Auswahl, wohl aber durch die Intensität der Darbietung auffielen. Beim Quartett Kreutzer-Sonate von Janacek, das von der gleichnamigen Novelle von Tolstoi ausgeht, sind aufwallende Gefühlswelten, die sozusagen tödliche Ausmaße annehmen, geradezu Programm. Dass das Ensemble hier alle Gefühlwelten mit intensivstem Spiel erfahrbar macht, machte dieses Werk zu einem herausfordernden Hör- und Emotionserlebnis. Als Grundlage für ein so tiefgründiges Vorgehen diente das unbeschädigt nach dem Sabbatical erhaltene famos abgestimmte technische Zusammenspiel, das in enger Kommunikation und Abstimmung die Einzelstimmen in der Gemeinschaft immer durchlässt, ohne deswegen den Ensembleeindruck zu beeinträchtigen. Also insoweit gelang eine grandiose Rückkehr auf die Bühne, die die Zuhörer im besten Sinne erschlagen ob der Dichte der Darbietung in die Pause entließ.
Im zweiten Teil stand dann Schumann mit seinem zweiten Werk im Mittelpunkt, bevor mit einer Quartetttranskription des ersten der bunten Blätter das Ensemble eben von diesem Komponisten auch seine Zugabe dem begeisterten Publikum darbringen durfte. Nach der Pause konnte man den Eindruck haben, dass die vier Musiker ihre Energie zwar nicht eingebüßt hatten, aber besser zu dosieren wussten. Immer noch intensiv, aber doch nicht bis an Limit konnten sie die romantisch geprägten Welten dieses F-Dur Werkes auskosten und zeigten erneut die ganze Breite ihres Könnens und ihres engen Miteinanders.
Auch nach einem Darüberschlafen hadert der Autor dieser Zeilen aber nach wie vor mit der Interpretation des den Abend eröffnenden vierten Quartetts von Joseph Haydn aus der Gruppe der Werke op. 20, auch wegen des Titelblatts eines Nachdruckes als Sonnenaufgangsquartette bekannten. Fast ist man geneigt, es als Standardwerk der Werkgruppe zu sehen, da es immer wieder gerne, anders als die selten zu erlebenden Geschwister, in Programmen auftaucht. In diesem Werk führte die überbordende Energie, oder sollte es sogar der Libido heißen, dazu, dass diesem Werk zu viel des Guten zuteilwurde. Haydn, als Vater des Streichquartetts benannt und einer der Hauptvertreter der (ersten) Wiener Klassik verbindet in seinen Werken immer feinste musikalische Durcharbeitung mit Charme, Witz, Ironie und ist geistvoll kapriziös.
Beim Antritt des Quatuor Ebène für dieses Stück fällt mir ein, vielleicht kapriziös anmutendes, aber durchaus hintergründiges Wortspiel ein. Man kann Musik machen, man kann eine Komposition auch spielen. Während das Wort spielen auch etwas Unbedarftes, vor allem aber Leichtes und Lebensfrohes enthält, führt einen Machen eher in eine Welt des praktischen Tuns, etwa eines Tischlers. Das mag durchaus auch Kreativität und Fantasie umfassen, aber es stellt zunächst auf eine reine Erstellung ab. In etwa diesem, sicherlich etwas zugespitzt formulierten, Spannungsfeld bewegt sich Haydn.
Mit großer Hingabe und Zuwendung wurde das Werk gemacht, nicht gespielt. Gerade auch im dritten Satz, der zur näheren Charakterisierung den Zusatz ‘alla zingarese’ trägt, fehlte es genau an dieser leichteren Handhabung. Es wirkte zu sehr geplant und konstruiert. Die federnde Leichtigkeit der Handschrift von Haydn wurde nicht wirklich deutlich. Auch in den anderen Sätzen wurde so viel an Intensität geboten, dass darüber die klassische Form manchmal in übermäßigem Zupacken verdeckt wurde. Dazu trug auch bei, dass Primarius Pierre Colombet vielleicht noch nicht wieder ganz entspannt war und deswegen verkrampft wirkte. Die ambitionierten, wenn auch guten Tempovorstellungen schienen in diesem Moment noch ein wenig zu fordernd, um ein ungezwungenes interpretieren zuzulassen.
Trotz dieses nicht ganz ohne Zweifel bleibenden Einstiegs: Quatuor Ebène, herzlich willkommen zurück auf der Bühne. Auch wir Zuhörer freuen uns auf weitere Auftritte.