David Robertson
(c) Eric Engel

Zum Abschluss der Saison im Gebäude der Philharmonie trat das Orchestre Philharmonique du Luxembourg in der Reihe Aventure+ auf. Mit fünf Werken erkundeten sie neue und neueste Literatur. Wie das Orchester unter der Leitung von David Robertson das Programm meisterte, berichtet Uwe Krusch.

Den Abend eröffnete das Werk ‘aeolian dust’ von Natalie Dietterich. In diesem Stück weicht sie von ihrem normalen Vorgehen ab, da sie weder soziale Probleme oder die Bedrohung der Umwelt zur Anknüpfung nimmt. Die Idee des äolischen bzw. atmosphärischen Staubs könnte vielmehr als Analogie zum Vergehen der Zeit in einer Welt betrachtet werden, in der unverbundene Ereignisse nebeneinander bestehen. Sie können zu etwas Größerem werden oder einfach nur zeitgleich einen gemeinsamen Raum einnehmen. Klanglich entwickelte sich das Werk dem Titel entsprechend in nebulösen Klangwolken, die dennoch auch Konturen erkennen ließen. Vielleicht mochte man sich als Analogie aus der bildenden Kunst ein Bild von William Turner denken. Robertson hatte das Orchester sofort auf seiner Seite und ließ die schwebenden Klänge stimmungsvoll musizieren.

Danach trat für drei Werke des Programms der Solist hinzu. Der finnische Geiger Pekka Kuusisto hatte sich Werke ausgesucht, die nur selten auf dem Programm stehen. Dabei war der Name Sibelius schon eine bekannter. Aber die beiden Serenaden, die noch aus der Zeit seiner künstlerischen Selbstfindung stammen, sind weitgehend unbekannt. Dabei bieten sie eine gute Chance, die Entwicklung von Sibelius zu begleiten. Mit ihrer noch als konventionell zu bezeichnenden Form eines romantischen Konzertstücks lassen sie, insbesondere in der g-Moll Serenade, schon thematische Eigenheiten erkennen, wie Sibelius sie dann im Violinkonzert in entwickelter Form umgesetzt hat.

Kuusisto zeigte hier schon seine finnisch lässige und zugleich charmante Bühnenpräsenz. Geigerisch widmete er sich den beiden Serenaden aber mit aller Sorgfalt, technischer Finesse und musikalischer Ausstrahlung, die ihn auszeichnet.

Als weiteres Werk hatte er die im letzten Jahr sowohl in der Orchesterfassung wie auch mit Klavier uraufgeführten Märchentänze von Thomas Adès vorbereitet. Die Musik klang kurzweilig und ansprechend, teilweise fast schon volkstümlich im Ton. In vier kurzen Sätzen von zusammen 15 Minuten forderte dieses Werk auch technisch mehr als vorher die Serenaden. Doch zog diese moderne Musik das Publikum in Bann. Kuusisto, das OPL und Robertson genossen diese Musik mit sichtbarer Freude. Dieses zeitgenössische Werk bleibt als gut hörbar und auch für den Solisten interessant in Erinnerung. Die Beteiligten empfingen vom Auditorium den Applaus, der sie ermunterte, den vierten Satz erneut zu spielen.

David Robertson
(c) Eric Engel

Das große Werk nach der Pause, in dem sich das Orchester nochmals von der besten Seite zeigen konnte, war eines, das man schon als Klassiker und auch eines der zentralen Werke der Postmoderne bezeichnen mag. Die Harmonielehre von John Adams ist schon beinahe vier Jahrzehnte alt. Trotzdem ist es junggeblieben. Und mit orchestraler Wucht und Prägnanz sowie einer Vielzahl technischer Herausforderungen bot es die Merkmale, die alle umjubelten Orchestermarksteine ausmachen, sofern man die postmoderne Musik nicht grundsätzlich ablehnt.

Das Orchester ließ sich diese Chance nicht entgehen, sein Können zu zeigen. Insbesondere im dritten Satz gestaltete es eine konzentrierte Schlusssteigerung in der Präsentation hin zu einer markant ausgefeilten strukturell klar organisierten Interpretation. David Robertson, für den zeitgenössische Musik ein wichtiger Bestandteil seiner Dirigate ist, gelang mit dem OPL eine hochmotivierte Deutung. Das großenteils sehr motorisch ausgerichtete und sich in kleinen motivischen Dosen entwickelnde Werk stellte an Aufmerksamkeit und Durchhaltevermögen an die Musiker höchste Herausforderungen und diese hielten dem Druck ohne Probleme stand. Vielmehr schien der gemeinsame Weg von Orchester und Dirigent sich zu einem anregenden Miteinander entwickelt zu haben, das sogar Kräfte freigesetzt hatte. Jedenfalls wirkte das Verstehen natürlich und gegenseitig achtungsvoll.

Im Anschluss an das Konzert kam der Solist noch mal alleine auf die Bühne, was man auch als Ausdruck des „+“ der Konzertreihe lesen mag. Er zauberte mit Geige und Bogen, aber auch zupfend, summend und singend, frei improvisierend in 20 Minuten ein weites Panorama, das im Anschluss in die Harmonielehre in postmodernem Gestus startete und viele Aspekte streifte, die bis Bach zurückreichten und auch gesungene finnische Volksmusik umschlossen. Das war eine ebenso intime Sicht auf die Musik und seinen Zugang dazu wie ein außergewöhnlich umfangreiches Extra, dass nicht jeder zu geben bereit wäre. Aber Kuusisto absolvierte diesen Part nicht nur, sondern schwamm genussvoll in seinem Element.

Leider hatten die Töne des Abends eine nicht allzu große Zahl von Zuhörern gefunden. Das mag an der klimatischen Hitze, dem modern ausgerichteten Programm oder auch an anderen Gründen gelegen haben. Aber dieses Konzert war zum Genießen geeignet und nicht zur Abschreckung klassisch ausgerichteter Ohren. Bleibt zu hoffen, dass die kommende Saison, die wieder Abonnements ermöglicht, wieder zu einem deutlich verstärkten Interesse führt.

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