Vladimir Ashkenazy
(c) Keith Saunders

Das gerade dreißig Jahre alt gewordene ‘Cadaqués Orchester’ aus dem katalonischen Teil Spaniens eröffnete in der Philharmonie den Reigen der Reihe ‘Grands classiques’ der jungen Saison. Es führte zwei Preisträger des ‘Concours Reine Elisabeth’ aus Brüssel zusammen, die ihre ersten Preise für ihr Klavierspiel mit 54 Jahren Abstand gewonnen haben. Wobei der Ältere bei diesem Treffen den Dirigentenstab schwang. Wie dieser Generationentreff ausging, erlebte Uwe Krusch für Pizzicato.

Das, wie man vielleicht jetzt schon schreiben darf, Lebenswerk des Vladimir Ashkenazy zeichnet sich durch eine Fokussierung auf ein traditionelles, dort jedoch sehr umfassendes Klavierrepertoire aus. Die zeitgenössische Musik meidet er. Diesen Ansatz bestätigte das Programm des Abends mit Mozart und Schubert und als Verbeugung vor der großen musikalischen Tradition Spaniens die eröffnende Ouvertüre zu ‘Alphonse et Léonore ou L’Amant Peintre’ von Fernando Sor. Mit einem luftig quirlenden Ansatz wusste das Orchester das Publikum von Beginn auf seine Seite zu ziehen. Der vor allem als Gitarrist bekannte Sor komponierte für sein Instrument und hat daneben auch Opern und Ballette geschaffen. Sein Stil erinnert mit seiner Spritzigkeit an die Musik von Rossini, bleibt aber dem eigenen Stil treu.

Das Klavierkonzert in A-Dur KV 488 bot dann Denis Kozhukhin die Bühne für sein Klavierspiel. Mag man sein leicht affektiert wirkendes Auftreten vielleicht nicht mögen, sein musikalischer Ansatz reizt dagegen kaum zu Widerspruch. Das Konzert gehört zu den Konzerten, die Mozart für eigene Aufführungen schuf. Es stellt den Inbegriff des klassischen Klavierkonzertes dar und ist eines der berühmtesten Werke Mozarts. Der Klavierpart ist virtuos gestaltet. Die formale Anlage des Konzertes ist durchaus fortschrittlich. Im ersten Satz nehmen die einzelnen Bestandteile der Sonatensatzform etwa gleich viel Raum ein. Nur die Reprise ist länger, da in ihr die in der Durchführung erreichten Fortschritte eingearbeitet werden. Dieses Vorgehen weist auf die großen Klavierkonzerte Beethovens und die romantischen Werke dieser Gattung. Zwischen den Sätzen besteht eine enge thematische Bindung. Auch dies weist auf die Zukunft des Klavierkonzertes.

Allein schon durch die im Vergleich zu benachbarten Konzerten kleinere Bläserbesetzung und mit anderen Details wie den leise verklingenden Satzenden ist diese Komposition auch kammermusikalisch angehaucht. Die als heiter oder optimistisch angelegten Themen der Außensätze zeigen einen positiven Charakter, was mit der mit als festlich oder hell assoziierten Tonart A-Dur zusammenläuft. Diesen strahlenden Charakter gestalteten die beteiligten Musiker mit Leichtigkeit und einer klassisch ausgerichteten Interpretation. Der großgewachsene Kozhukhin strafte sein Aussehen Lügen, wenn er seinem Anschlag diese perlende Leichtigkeit gab, die den strahlenden Charakter des Werkes unterstützte, ohne massiv aufzutrumpfen. Die Abstimmung mit dem Orchester war meist tadellos. Die Tempi wurden nicht strapaziert, so dass die Nuancen ausgeleuchtet werden konnten. Insofern wussten sich der Solist und der Dirigent in der Deutung der Musik zu verständigen.

Wie auch in anderen Lebensbereichen können auch in der Musik viele Details unterschiedlich gehandhabt werden, ohne dass man gleich von falsch oder richtig sprechen müsste. Es handelt sich vielmehr um unterschiedliche Sichten auf den Notentext. Das gilt beispielswiese für die gewählten Tempi. Auch in der fünften Symphonie von Schubert zeigte Ashkenazy erneut eine ganz klassische Ausrichtung, indem er jedes Übermaß vermied und so eher langsam wirkende Metronommaße anschlug als zu schnelle. Dieses Vorgehen birgt die Gefahr, dass die Entwicklung zerfleddert oder auch einfach nur langatmig wirkt. Das es aber auch zu einer groß ausgesungenen Linie kommen kann, bewiesen Ashkenazy und das Orchester insbesondere im langsamen Satz der Symphonie, der sich mit aller Ruhe und frei von übertriebenen Effekten entfaltete und trotzdem eine in den Details und im Gesamtbild bezaubernde Erzählung ausbreitete, die die Spannung bis zum letzten Moment hielt.

Auch die anderen Sätze zeichneten sich durch diesen Ansatz moderater Tempi und einer fließenden Musikalität gehorchenden Schönheit aus, so dass sich eine fast schon serenadenhafte Grundstimmung ergab, die aber immer dem anspruchsvollen Momentum untergeordnet wurde. Ashkenazy mochte etwas ungelenk in seinen Bewegungen wirken, aber seine Ausstrahlung und jahrzehntelange Beschäftigung mit diesem Musikkosmos erlaubten ihm, als Ideengeber dem Orchester ein intensives Musizieren zu entlocken, das sie mit großem Engagement und Können umsetzten.

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