Quatuor Ebène
(c) Julien Mignot

Bei seinem Auftritt im Kammermusiksaal der Philharmonie entfaltete das ‘Quatuor Ébène’ in geradezu atemlos machender Art und Weise dem Auditorium seine ganze Kunst. Pizzicato-Mitarbeiter Uwe Krusch war im Konzert.

Der Abend versprach zunächst, wenn man nur das Programmtableau las, nicht unbedingt, aufregend zu werden. Auf dem Programm standen mehr oder weniger drei Erstlinge, die beiden ersten Quartette von Beethoven und Brahms sowie vom ersteren das erste der der Rasumowsky Quartette. Es handelte sich im Grunde also um alte Bekannte, die mal wieder hervorgeholt wurden. So konnte man denken. Dass zumindest die beiden Ersten von Beethoven vielleicht seltener gespielt werden als andere seiner Werke, mag dann einen ersten Ansatz auf dann doch Ungewohntes angedeutet haben.

Bereits die ersten Töne des Quartetts op. 18 zeigen, was diese vier Musiker in nunmehr neunzehn Jahren an Kultur im Zusammenspiel erreicht haben. Obwohl sie einen ständigen Blickaustausch pflegen, vermutet man, das würde bei ihnen sogar mit geschlossenen Augen funktionieren. So eng ist ihre Abstimmung. Hier erlauben sie sich keine Schwäche. Auch die technische Realisierung lässt keine Wünsche offen.

Bleibt die Gestaltung der Musik. Bei so viel Zusammenhalt der vier Musiker und technischer Meisterschaft fällt die leicht. Doch allein die Voraussetzungen reichen sicher nicht aus. Es muss dann auch die gestalterische Fähigkeit dazu kommen. Doch auch hier halten die vier Franzosen höchsten Ansprüchen stand. Wenn man die zwölf Sätze des Abendprogramms nimmt, dann wurden alle mit einer überzeugenden, besser gesagt mitreißenden Stringenz, dargeboten. Lediglich beim Kopfsatz des Rasumowsky-Quartetts konnte man, wenn man denn unbedingt etwas finden möchte, eine gewisse Andeutung einer leichten Delle in der Konzentration und einer daraus resultierenden nicht ganz so prägnanten Durchformung und Zwangsläufigkeit bemerkt haben. Aber das ist dann Leiden auf hohem, besser gesagt, höchstem Niveau.

Die beiden Werke von Beethoven wurden mit einer genau bemessenen und trotzdem auch spontan und natürlich wirkenden Interpretation vorgestellt. Die sonst bei diesem Komponisten gerne spitz, mitunter brutal angezeigten Akzente fielen deutlich schöner und weniger kantig aus, ohne dass dies den einmaligen Charakter der Werke konterkariert hätte. Vielmehr bot die bis in die Spitzen genau überlegte und auch umgesetzte Erzählung eine Prise Wärme, die auch den Quartetten von Beethoven gut tut, von anderen aber gerne vernachlässigt wird. Mit ihrer Herkunft aus der französischen Provinz, also nicht aus Paris, haben sie vielleicht von Anfang an einen anderen Blick kennengelernt, der ihnen menschliche Maße vermittelt hat.

Auch Brahms, der wiederum andere interpretatorische Ansätze benötigt, wurde mit einem Schuss französischem Flair versetzt und so der von manchen empfundenen Strenge und Schwere des Norddeutschen beraubt. Die Quartette von Brahms, die an manchen Stellen wegen ihrer das Metrum verschwimmen lassenden Struktur besondere Anforderungen an das Zusammenspiel stellen, wurde einfach voll und ganz überzeugend vorgestellt. Auch hier konnte man zu jeder Zeit die vier Beteiligten gut gemischt und trotzdem auch einzeln ohne Abstriche heraushören. Primgeiger Pierre Colombet fiel zwar in allen diesen Stücken eine besondere Rolle zu, die ihn auch herausragen lässt. Seine Bewältigung dieser drei Werke in einem Rutsch zeugte von grandiosen Fähigkeiten. Aber diese musikalisch begründete Stellung ging nicht zu Lasten einer der anderen Stimmen. Jeder konnte seine solistischen Punkte machen und auch im Zusammenspiel ging niemand verloren. Das galt auch für Bratschistin Marie Chilemme, die ihre gerade auch bei Brahms wichtigen Beiträge setzen konnte, obwohl sie insgesamt kaum Attacken setzte und eher wie träumend, oft auch mit geschlossenen Augen das Flair der Musik einsog und mit ihrem Instrument ausatmete. Doch auch der zweite Geiger Gabriel Le Magadure und Cellist Raphael Merlin hatten ihre Aufhorchen lassenden Passagen, die sie mit Kultur und Eleganz ebenso wie mit Nachdruck einfließen ließen.

Das Ensemble bot in dem für einen Quartettabend extrem langen Programm, nämlich 95 Minuten Spieldauer, eine so geschlossene und furios erlesene Darstellung, dass man fast überwältigt wurde. Das Publikum jedenfalls spendete schon nach jedem Werk und natürlich vor allem zum Schluss ausgelassenen Applaus mit vielfachen Bravorufen. Im kommenden Jahr, zu ihrem zwanzigsten Geburtstag als Ensemble und dem 250. von Beethoven wollen sie eine Gesamteinspielung der Quartette vorlegen. Darauf wird man sich freuen dürfen. Dieses Quartett könnte noch zum neuen Liebling des Schreibers dieser Zeilen werden.

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