Dmitri Shostakovich: Violinkonzert Nr. 1 a-Moll op. 77; Piotr Tchaikovsky: Symphonie Nr. 5 e-Moll op. 64; Baiba Skride, Violine, Gewandhausorchester Leipzig, Andris Nelsons; 1 DVD Accentus ACC20478; Stereo & Surround; Bild 16:9; Liveaufnahme 05/2019, Veröffentlichung 01/2020 (103') - Rezension von Remy Franck

Unter der Leitung ihres Landsmanns Andris Nelsons spielt Baiba Skride Shostakovichs Erstes Violinkonzert in einer ungemein eloquenten und packenden Interpretation. Das substanzreiche Spiel der Geigerin, mal soft, mal kraftvoll-energisch findet ihren nicht weniger rhetorischen und aussagekräftigen Klangmantel im Gewandhausorchester Leipzig. Das Nocturne, mit dem das Werk beginnt, wird so zu einem eindringlichen Beginn für ein facettenreiches Werk, in dem die Violine aber nie zum dominanten Instrument wird. Das Scherzo ist leicht und agil, die Passacaglia leidenschaftlich und die Burleske brillant und hinreißend.

Und so hundertprozentig man die Shostakovich-Darbietung als hervorragend und empfehlenswert bezeichnen muss, so wenig überzeugend ist letztlich Nelsons’ Interpretation der 5. Symphonie von Piotr Tchaikovsky.

Gewiss, der Dirigent arbeitet sehr viel Details heraus, lässt uns hie und da etwas hören, was man vielleicht noch nie derartig formuliert hören konnte, sowohl was die Farben wie auch die wechselnden Tempi angeht. Aber manches wirkt doch etwas manieriert und aufgesetzt, um nicht zu sagen sentimental und über-blumig, umso mehr, weil die Spannung mehrmals deutlich nachlässt. Das kommt im Übrigen wohl daher, dass Nelsons den Details zu viel Aufmerksamkeit schenkt und das Ganze dabei aus dem Blick verliert. Für den Hörer ist es anstrengend. Gerade hat man sich in die Musik vertieft und beschäftigt sich mit interessanter Deutung, und dann ist sie schon wieder flach wie ein Parkettboden.

Under the direction of her compatriot Andris Nelsons, Baiba Skride plays Shostakovich’s First Violin Concerto in an incredibly eloquent and gripping performance. The violinist’s substantial playing, sometimes soft, sometimes powerfully energetic, is having a no less rhetorical and expressive accompaniment from the Leipzig Gewandhaus Orchestra. The introductory Nocturne becomes a haunting beginning for a multifaceted work in which the violin never becomes the dominant instrument. The Scherzo is light and agile, the Passacaglia passionate and the Burlesque brilliant and entrancing.
And if the Shostakovich performance must be described as excellent and recommendable, Nelsons’ interpretation of Piotr Tchaikovsky’s 5th Symphony is ultimately not very convincing.
Certainly, the conductor works out a lot of details, revealing new aspects of the music, both in terms of colours and tempi. But some things are a bit mannered and artificial, not to say sentimental and over-flowery, all the more so because the conducting sometimes is clearly lacking tension. Because Nelsons pays too much attention to the details, he loses the sight of the overall structure.

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