Giuseppe Verdi: Otello; Gregory Kunde (Otello), Carmela Remigio (Desdemona),Lucio Gallo (Jago), Francesco Marsiglia (Cassio), Ceron (Roderigo Antonello), Mattia Denti (Lodovico), Elisabetta Martorana (Emilia)
Orchestra e Coro del Teatro La Fenice, Myung-Whun Chung; Inszenierung: Francesco Micheli; 1 Blu-ray C-Major 716604; Bild HD 16:9; Stereo & Surround; Live 2013 (148') – Rezension von Remy Franck

In den Sechzigerjahren war es üblich, dass die Fenice im Sommer Verdis ‘Otello’ im historischen Innenhof des Dogenpalastes aufführte. Typisch italienische Verwaltungshindernisse bewirkten, dass die Tradition ab 1970 verloren ging. Im Verdi-Jahr 2013 war es endlich wieder möglich, an die Vergangenheit anzuknüpfen.
Francesco Micheli benutzt diesen Innenhof sehr gut, er bespielt Balkone und Treppen und lässt auf die historischen Mauern symbolträchtige Bilder projizieren. Unten im Hof benutzen die Sänger Laufstege, ähnlich denen, die gebraucht werden, wenn in Venedig ‘aqua alta’ ist. Das hat Symbolkraft, denn emotional steht dem Titelhelden ja das Wasser bis zum Halse…

Micheli gelingt es mit einer intelligenten Personenregie die Desintegrierung der Persönlichkeit Otellos zu verdeutlichen. Der Regisseur betont nicht nur die vom Intriganten Jago und seiner Konspiration hervorgerufene Jalousie, sondern auch Otellos eigene Unsicherheit, die durch ein ausgesprochen vehementes und herrisches Auftreten Desdemonas gesteigert wird.

Vor den Sängern noch soll zunächst vom Orchester die Rede sein. Myung-Whun Chung trumpft nicht mit dem ‘Orchestra del Teatro La Fenice’ auf, sondern gestaltet den Orchesterpart lyrisch und kommt so den Sängern sehr entgegen, die er ebenfalls zu einem Maximum an Kantabilität anhält. Kein Geschrei, kein Sprechgesang, sondern ‘Singen’ ist angesagt.

Gregory Kunde singt die Titelrolle souverän und intelligent, lyrisch-dramatisch, ohne seine Stimme zu überfordern. Er zeigt so die menschliche Seite des Mohren, ohne je karikatural zu wirken. Auch Lucio Gallo gibt sich nicht mephistophelisch, sondern spielt den Intriganten in packender Weise. Stimmlich ist er tadellos. Carmela Remigio ist darstellerisch eine interessante Desdemona, stimmlich gefällt sie mir, nicht zuletzt wegen starken Vibratoeinsatzes, nicht besonders gut. Die übrigen Rollen sind gut besetzt, der Chor ist exzellent.

Filmed in the imposing setting of the Palazzo Ducale in Venice, this Otello takes profit from an intelligent staging, a very lyrical orchestra and mostly good singers.

  • Pizzicato

  • Archives