Das Festival Olive Classic stellt jedes Jahr eine europäische Hauptstadt in den Mittelpunkt. Dieses Jahr ist es Vaduz, die Hauptstadt des Fürstentums Liechtensteins, das sein 300-jähriges Bestehen feiert. Remy Franck war beim Konzert und schildert im Folgenden seine Eindrücke.

In unserem ersten Bericht von Olive Classic hatten wir einige Gedanken aus einem Tosca-Zitat abgeleitet, und dieses dritte Konzert erinnerte mich ebenfalls an die  Puccini-Oper, denn die Musiker spielten im Amphitheater des Olivenhains von Lun vor einer Kulisse, die man durchaus mit ‘Und es blitzten die Sterne’ beschreiben kann, auch wenn weder Tosca noch Cavaradossi auf der Bühne standen.

Eine Hommage an Vaduz ohne Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901) wäre nicht möglich gewesen. Glücklicherweise hat der aus Liechtenstein stammende Komponist unter seinen Kammermusikwerken das Nonett in Es-Dur op. 139 anzubieten, das sich für dieses Konzert perfekt eignete.

Rheinbergers Nonett im Olivengarten von Lun (c) Andreas Domjanic

Geschrieben ist es für fünf verschiedene Blasinstrumente (Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn) sowie vier Streicher (Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass). Rheinbergers melodische Einfallskraft und sein Umgang mit den Farben der einzelnen Instrumente lassen dieses romantische Werk mit durchaus klassischen Proportionen hinreißend werden, zumindest, wenn es so großartig und mit einem perfekt homogenen Ensembleklang gespielt wird wie von den jungen Musikern Charlotte Spruit, Violine, Dagmar Korbar, Viola, Moritz Huemer, Cello, Jura Herceg, Kontrabass, Eva-Nina Kozmus, Flöte, Adrian Buzac, Oboe, Lovre Lucic, Klarinette, Matko Smolcic, Fagott und Marcel Üstun, Horn.

Die klanglichen Einfälle und die Vielzahl der instrumentalen Möglichkeiten inspirierten die Interpreten zu einem temperamentvollen, aber auch sehr kantablen Spiel mit abwechslungsreichen Instrumentenfarben.

Ein wunderbar flüssiges Allegro, ein elegantes Menuett mit viel Charme, ein sensibel ausmusiziertes Adagio molto und ein kraftvolles, beschwingtes Allegro ließen dieses Werk im schönsten Licht überaus attraktiv werden.

Von Johannes Brahms (1833-1897) erklang danach das Klavierquartett Nr. 1, gespielt von Dmytro Choni, Klavier, Fabiola Tedesco, Violine, Isidora Timotijeviv, Viola, und Beata Jemina Antikainen, Cello.

(c) Andreas Domjanic

Die vier Musiker spielten leidenschaftlich und mit geballter Ausdruckskraft. Es ging hier nicht um Äußerlichkeiten, die ins Ohr stechen sollen, sondern um den gemeinsamen Willen, zusammen Musik zu machen und in einer plastischen Deklamation eine Interpretation anzustreben, die auch wirklich Sinn machte.

Eine großartige Palette an Farben und andere Gestaltungsmittel standen im Dienst einer Musikalität, die eine sehr leidenschaftliche Interpretation ergab. Der erste Satz begann geheimnis- und stimmungsvoll und erlangte einen direkt bedrohlichen Charakter, der auch den zweiten Satz prägte, wenngleich hier auch Energie die Musik in einem packenden Spannungsfeld erscheinen ließ.

Das Andante con moto erklang sehr zerklüftet, mitunter mit unerbittlicher Rhythmik wie besessen klingend. Auch das Rondo alla Zingarese hatte dieselbe Leidenschaftlichkeit und beendete das Quartett mit einem regelrecht dämonischen Charakter, in dem selbst das Trio einen teuflisch-verführerischen Charme bekam, wie ihn Schubert im Erlkönig so meisterhaft zum Ausdruck bringt.

Mithin erlebte der Zuhörer hier eine Interpretation, die sich mit ihrem persönlichen, brodelnd-zerklüfteten Charakter deutlich von allem abhob, was man gängigerweise in diesem Werk zu hören gewohnt ist.

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