So British!
Unbeeindruckt von der Brexit-Seifenoper spielt das Klavierduo Ludmila Berlinskaya und Arthur Ancelle auf dem Label Melodiya englische Musik des 20. Jahrhunderts für zwei Klaviere. Der Name des Albums ‘B like Britain’ respektiert auch die Tatsache, dass die Namen aller Komponisten mit dem Buchstaben B beginnen, Arnold Bax, York Bowen, Benjamin Britten und Richard Rodney Bennett. Das ist ein griffiges Konzept, das musikalisch auch bestens bedient wird. Wir hören ausnahmslos technisch überlegene Interpretationen, die auch musikalisch vollauf überzeugen, da Ancelle und Berlinskaya die Musik perfekt charakterisieren. Wenn in Bowens Theme and Variations ‘con grazia’ verlangt wird oder ‘con fuoco’, hört man das ebenso wie wenn Bennett für einen County Blues ‘slow and lazy’ verlangt. Und so ist dies denn eine inspirierende CD, die man nur empfehlen kann. (Melodiya MELCD 1002565) – ♪♪♪♪♪

Eine Pariserin im Mittelpunkt
Eine weitere Folge eines gemischt symphonisch-vokalen Programms um die Pariser Symphonien von Joseph Haydn ist nun bei Aparté erhältlich. Das Ensemble Le Concert de la Loge spielt unter Julien Chauvin eine zupackend dargebotene 87. Symphonie von Haydn, die sogenannte ‘Impatiente’, die Ungeduldige. Sophie Karthäuser ist in Melodien von Antonio Sacchini, André-Modeste Grétry, Christoph W. Gluck, Jean-Baptiste Lemoyne und Johann Christoph Vogel zu hören. Die Sopranistin singt sehr dramatisch und erreicht mit Textverständlichkeit eine überzeugende Wirkung. Beendet wird das Programm mit der Symphonie in d-Moll op. 10/1 von Louis-Charles Ragué, einem charakteristischen und zweifellos hörenswerten Werk, das von Julien Chauvin und seinem Concert de la Loge sehr dynamisch und eloquent-ausdrucksvoll gespielt wird. (Aparté AP210) – ♪♪♪♪

Ungewöhnliches Lied-Programm
Ein Programm von Cabaret-Liedern singt die Schweizer Mezzosopranistin Stephanie Szanto, am Klavier begleitet von Simon Bucher. Einige Lieder sind textlich nicht gerade vom Feinsten, aber das Programm hat musikalisch Niveau. Nur leidet die Aufnahme unter geringer Textverständlichkeit, was umso mehr schade ist, als die Lied-Texte im Booklet nicht enthalten sind. Das Programm heißt The High Horse, aber das Pferd ist noch pflegebedürftig. (Ars Produktion 38293) – ♪♪♪

Ein Holocaust-Oratorium, nein, – Musical
‘I Believe’, ein Chorwerk des kanadischen Komponisten Zane Zalis, hat den Holocaust als Thema. Es wurde 2011 in Toronto uraufgeführt. Die vorliegende Aufnahme entstand im März 2019 in Wuppertal. Musikalisch ist es das Werk wohl am ehesten der Gattung Musical zuzuordnen, was hier umso deutlicher wird, als die Solostimmen (Kelsey Cowie, J.P. Quellet, Marko Zeiler) auch aus dem Musical-Bereich kommen und nicht aus dem Klassikbetrieb. Hervorzuheben ist, dass es in dem Stück viele gesprochene Passagen gibt, die hier in deutscher Sprache von Stefan Müller-Rupert vorgetragen werden. Der Leverkusener Kinder- und Jugendchor, der Solitude-Chor Stuttgart, der Chor der Konzertgesellschaft und die Bayer Philharmoniker stehen unter der Leitung von Bernhard Steiner, der dieses große Ensemble mit sicherer Hand zu einer hervorragenden Darbietung führt. (Ars Produktion 38291) – ♪♪♪♪

Virtuos, aber auch nur
Eine gute, klaviertechnisch beeindruckende, aber keinesfalls herausragende Interpretation von Tchaikovskys Erstem Klavierkonzert bieten George Li und das London Philharmonic unter Vasily Petrenko bei Warner. Im Orchesterklang gibt es dabei mehr Sensibilität als beim Pianisten. Auch in den Solowerken von Liszt (Les jeux d’Eau à la Villa d’Este, Sonetto 104 und Réminescences de Don Juan) kann mich der Amerikaner nicht vollends überzeugen. Den beiden ersten Werken fehlt die Poesie, das letzte ist rein technisch aufgebaut und es fehlt ihm die opernhafte Gebärde. (Warner Classics 01902955379575)  – ♪♪♪

Bewegungstherapie für Vivaldi und Respighi
Dies ist Vivaldi für das 21. Jahrhundert, behauptet der dänische Komponist Karl Aage Rasmussen (* 1947) von seiner Bearbeitung der Quattro Stagioni, die er quasi nur rhythmisch verändert und dadurch recht interessante Klangwirkungen erzielt. Das Concerto Copenhagen spielt daneben auch noch Rasmussens Follia, Follia und Respighis Gli Ucelli, ebenfalls von Rasmussen bearbeitet. Wer die Werke gut kennt, kann sich dabei sicherlich gut amüsieren. (Dacapo 8.226220) – ♪♪♪♪♪

In slowakischen Landschaften
Der slowakische Komponist Alexander Moyzes (1906-1984) hat in einem Teil seines Werks gewissermaßen die alte Slowakei in Musik gesetzt, mit  einer volkstümlich symphonischen Musik, die klangmalerisch slowakische Landschaften, ihre Natur aber auch Zusammenkünfte der Bauern, Tänze und dergleichen beinhaltet. Die rustikal-pastoralen Stimmungen stehen energisch-farbvollen Tänzen gegenüber. Naxos hat drei solcher Werke, Gemer Dances, Down the River Vah und die Pohronie Dances mit dem Slowakischen Radio Symphonieorchester unter Ondrej Lenard aus dem Marco-Polo-Katalog herübergeholt und diese außerordentlich sympathische Musik nun wieder auf breiter Basis zugänglich gemacht. Die Interpretationen sind äußerst vital und empfehlenswert. (Naxos 8555477) – ♪♪♪♪

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