Giuseppe Verdi: Nel dì della vittoria, Vieni t'affretta!, Or tutti sorgete, La luce langue, Una macchia è qui tutt'ora (Macbeth), Qui! Qui dove più s'apre libero il cielo, O fatidica foresta (Giovanna d'Arco), Arrigo! ah, parli a un core, Mercè, dilette amiche (Vespri Siciliani), Tu che la vanità (Don Carlo), Vanne, lasciami, Miserere d'un' alma gia vicina, Tu vedrai che amore (Il Trovatore); Anna Netrebko, Sopran, Rolando Villazón, Tenor, Orchestra del Teatro Regio di Torino, Gianandrea Noseda; 1 CD Deutsche Grammophon 47917356; 7&12/12 (57'15) - Rezension von Remy Franck

Macht es Sinn, diese CD zu rezensieren, die von jeder Promipostille, jeder Tageszeitung und den schmuddeligsten Boulevardblättern vorab und selbstverständlich völlig unkritisch angekündigt wurde, als sei sie das wichtigste Tondokument aller Zeiten, wenn nicht sogar eine Produktion, wie es sie noch nie gegeben hat. Wie ungerecht ist doch diese Welt!

Denn auch wenn vieles gut und manches sehr gut ist auf dieser CD, so gibt es auch Defizite. Und es gibt keine einzige Arie, die man nicht schon besser gehört hätte.

Die Produzenten haben klug disponiert: sie haben die Macbeth-Arien an den Anfang des Albums gesetzt, weil in ihnen Netrebko mit einem hervorragenden Farbspektrum von dunkel bis hell glänzen kann, weil sie in diesen Stücken sinnlich-emotionell packt. Das ist großartiger, faszinierender Operngesang, aber immer noch eine Klasse unter der nervös-eruptiven Gestaltung einer Callas, deren Lady Wespenstich-Qualitäten hatte.

Auch in den beiden Arien aus Giovanna d’Arco weiß Netrebko zu überzeugen. Doch in ‘Mercè, dilette amiche’ aus den ‘Vespri Siciliani’ wird deutlich, wie sehr es ihr an Temperament und an Koloraturglanz mangelt, um diese Szene mit Leben zu erfüllen. Da fehlt so ziemlich alles, was dieses Stück braucht, das hier fast zum Lullaby degeneriert. Auch in ‘Gracia nobile sol’ aus ‘Don Carlo’ bleibt Netrebko der Musik darstellerisch so manches schuldig, vor allem die Innigkeit des Gesangs und die Tiefgründigkeit des gesungenen Wortes.

Mit Ausschnitten aus dem vierten Aufzug von ‘Il Trovatore’ wird die recht kurze CD beschlossen. ‘In Vanne lasciame’ spüre ich kein dramatisches Engagement, höchtes viel künstliches Gestalten und eine maximale Sorge für die Vokallinie. Kaum besser sind ‘D’amor sull’rose’ (Schöngesang, ja, aber keine wahren Gefühle) und ‘Miserere…Quel suon, quelle preci’ – ach könnte man den gequält lallenden Gesang des Villazon-Manricos nur überhören – während ‘Tu vedrai che amore in terra’ an emotionaler Beiläufigkeit nicht zu überbieten ist. Von einer inbrünstigen Opferbereitschaft der Leonora ist hier nichts zu hören, was in dieser Frau vorgeht, hat Netrebko offensichtlich nicht ganz verstanden.

Gianandrea Noseda gibt sich mit Mühe, mit dem Orchester aus Turin konstruktiv zu begleiten, was ihm auch oft, aber nicht immer gelingt – im ‘Trovatore’ sind der Mangel an düsterer Stimmung und der Picnic-Ersatz besonders schmerzlich zu spüren. Hin und wieder- etwa im orchestralen Vorspiel der ‘Don Carlo’-Arie werden auch die spieltechnischen Grenzen des Orchester allzu deutlich.

Ich weiß nicht, wie viele CDs während der Zeit verkauft wurden, in der ich diese Rezension schrieb, aber es auch egal, es gibt Stars, die jenseits aller Kritik agieren und verdienen können.

Anna Netrebko is both an amazing Lady Macbeth and a great Giovanna d’Arco. But her Elena, her Elisabetta and her Leonora lack a lot of expressive power. To many superior references exist on disc, preventing us from  applauding this new production unreservedly.

Anna Netrebko est une excellente Lady Macbeth et une très bonne Giovanna d’Arco, mais son Elena, son Elisabetta et sa Leonora manquent largement d’une vraie incarnation, d’un vrai feu intérieur. Les archives contiennent trop de références supérieures pour nous permettre d’applaudir sans réserve cette nouvelle production.

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