Anton Bruckner: Symphonien Nr. 2 & 8; Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg (Ouvertüre); Gewandhausorchester Leipzig, Andris Nelsons; 2 CDs Deutsche Grammophon Gesellschaft 4839834; Liveaufnahmen 09 & 12/2019, Veröffentlichung 05/02/2021 (150') – Rezension von Remy Franck

Bruckners Zweite Symphonie liegt in fünf Fassungen vor: 1872 (Urfassung), 1873 (Uraufführungsfassung), 1876, 1877 (Bruckner, Haas, Nowak, Carragan) und 1892.Heute gilt, wenn man auf eine revidierte Fassung zurückgreifen will, jene von 1877 in der Bearbeitung von William Carragan als die zuverlässigste, da er alle Unzulänglichkeiten der Haas- und der Nowak-Fassungen ausgemerzt hat. Und es ist auch diese Fassung, die Andris Nelsons ausgewählt hat. Den ersten Satz dirigiert er ernst und lyrisch, mit etwas passendem Misterioso. Im Andante ist Nelsons seltsam zurückhaltend, wohl stimmungsvoll, aber nicht so mystisch wie andere Kollegen.

Das schlank und energisch dahin stürmende Scherzo enthält ein Trio, das Nelsons eher enigmatisch gestaltet und damit die Unsicherheit Bruckners mit sich selber und seiner symphonischen Kunst trifft.

Das Finale ist sehr transparent und wird perfekt gesteigert, mit all jenen Kontrasten dieses Satzes, in dem Leben und Tod einander so nahe sind. Nelsons zeigt uns den in die Knie gesunkenen Bruckner auf ergreifende Weise und lässt ihn dann aber umso triumphierender dem Schluss zustreben.

Auch von der Achten gibt es mehrere Versionen: 1885 (Originalfassung), 1887, 1890 (Haas, Nowak-Fassungen), 1892. Nelsons hat sich für die Nowak-Fassung von 1890 entschieden.

Der Gewandhauskapellmeister versucht zunächst durch Zurückhaltung und Sachlichkeit Bruckners Wesen nahezukommen. Daher wird der erste Satz auch nicht so wirkungsvoll wie bei anderen Dirigenten. Ein routiniert dargebotenes Scherzo führt zum Adagio, das Nelsons tiefschürfend auslotet. Mit fast 28 Minuten ist der langgezogene, intimistisch gespielte Satz keine Minute zu lang. Das ist wirklich erfühltes und inspiriertes Musizieren, in dem Nelsons die Spannung ungemein gut aufrechterhält und genau das realisiert, was Decsey in dieser Musik hörte, « eine lange Erzählung von Einsamkeit und Miserere-Gedanken ».

Kopfüber stürzt sich Nelsons dann ins Finale, in dem er die rhythmischen Konturen betont und den ganzen Satz sehr differenzierend gestaltet, sowohl in den Klangfarben als auch in den Klangwerten und dynamischen Unterschieden. Zusammenfassend kann man sagen, dass nach einem nicht so starken ersten Satz, diese Achte aus Leipzig dann doch ein sehr beachtliches Format erlangt.

Zusätzlich zu den beiden Bruckner-Symphonien ist eine sehr handlungsbezogene und kontrastreiche, wenn auch im Klangbild etwas matte Meistersinger-Ouvertüre zu hören.

Bruckner’s Second Symphony is available in five versions: 1872 (original version), 1873 (premiere version), 1876, 1877 (Bruckner, Haas, Nowak, Carragan), and 1892.
Today, if one wants use a revised version, that of 1877 in the arrangement by William Carragan is considered the most reliable, since he eradicated all the shortcomings of the Haas and Nowak versions. And it is also this version that Andris Nelsons has chosen. The first movement is noble and lyrical, with some fitting misterioso. In the Andante, Nelsons is oddly restrained, arguably moody, but not as mystical as other colleagues.
The slender and energetic Scherzo contains a Trio that Nelsons makes rather enigmatic, showing Bruckner’s insecurity with himself and his symphonic art.
The finale is very transparent, beautifully played, with all the climaxes and also those contrasts of a movement in which life and death are so close. Nelsons shows us Bruckner sinking to his knees in a poignant way, but then lets him stride all the more triumphantly toward the conclusion.
There are also several versions of the Eighth: 1885 (original version), 1887, 1890 (Haas, Nowak versions), 1892. Nelsons chose the Nowak version of 1890.
The Gewandhauskapellmeister’s first movement is well shaped, with considerable command of the music’s architecture, but at the end it is not as effective as with other conductors. A routinely performed Scherzo leads to the Adagio, which Nelsons explores in depth. At nearly 28 minutes, the sustained, intimately played movement is not a minute too long. This is truly felt and inspired music-making in which Nelsons maintains tension very well and obtains exactly what Decsey heard in this music, « a long narrative of loneliness and miserere thoughts ». In the Finale, Nelsons pays attention to rhythmic contours, and the whole movement becomes much differentiated, in timbres as well as in tonal values and dynamic changes. In summary, after a not so convincing first movement, Nelson’s Eighth from Leipzig is, generally speaking, a fine account of this work.
In addition to the two Bruckner symphonies, there is a very plot-connected and contrasting Meistersinger Overture, however somewhat dull in sound.

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