Musikverein Wien

Im Goldenen Saal des Musikvereins Wien hatte eines der Hausorchester, die Wiener Symphoniker, zum Konzert geladen. Der Dirigent des Abends war Alain Altinoglu. Als Solistin trat die Geigerin Isabelle Faust auf. Uwe Krusch berichtet.

Gleich am Anfang stand ein beschaulich wenn nicht gar lieblich wirkendes kurzes Stück, nämlich das Vorspiel zur Oper Khovantchina von Modest Mussorgski. Diese kurze Einleitung zur Oper über das Wüten des Fürsten Khovanski zeigt noch nichts von der Brutalität des Inhalts. Mit dem Titel Morgendämmerung an der Moskva bot es vielmehr einen lichten Einstieg in den Abend, der vom Orchester mit ebenso sorgfältiger wie auch leichter Hand dargereicht wurde.

Von ganz anderem emotionalem Tiefgang zeugte das 2. Konzert für Violine und Orchester von Dmitri Shostakovich. Nach der Interpretation des 1. Violinkonzerts dieses Komponisten in der Vorwoche mit der Solistin Baiba Skride ergab sich nun die Möglichkeit, mit Isabelle Faust ergänzend auch das Geschwisterwerk zu hören. Damit konnte man die Stücke auch vergleichen. Bezüge thematischer Art und in der Kompositionstechnik zeigen Ähnlichkeiten, etwa in der Anfangsmelodie in Oktaven von Celli und Kontrabässen. Und auch die dauernde Spannung gehörte dazu. Aber es gab auch prägnante Unterschiede zu erleben, wie der Eindruck, dass das erste Konzert als Selbstbildnis gezeichnet wurde, wie das DSCH Motiv es nahelegt, das zweite dagegen in subtilen Hinweisen als Porträt des prägenden Solisten, also David Oistrakh, wahrgenommen werden konnte.

Isabelle Faust
(c) Felix Broede

Isabelle Faust ist eine der Geigerinnen, die jene komponierte spannungsreich nuancierte Eloquenz mit der nötigen spielerischen Intelligenz und emotionalen Bereitschaft ausloten kann. Den dunkel temperierten Kopfsatz mit der unbegleiteten Zwischenkadenz machte sie mit ihrem selbstbewussten und hier auch tastend und fühlend wirkenden Antritt zu einem nachdrücklichen Bekenntnisbild. Umso mehr widmete sie sich dem emotionalen Zentrum, also dem melodiegesättigten Adagio des Mittelsatzes. Hier traten die Aspekte von Schwermut und Einsamkeit in der Musik noch deutlicher zu Tage. Im Schlusssatz, einem sarkastischen Rondo, zeigte Faust dann auch ihre Stärken in der meisterhaften Beherrschung technisch virtuos geprägter Herausforderungen, die sie allerdings, etwa im Dialog mit dem gedämpften Horn, nur einsetzte, um die musikalische Aussage zu formen. Die ausgedehnte Kadenz in der Coda bot ihr ein weiteres Mal Gelegenheit, ihre interpretatorischen Gestaltungsfähigkeiten auszukosten. Die Wiener Symphoniker und Alain Altinoglu wusste sie dabei immer aufs Engste mit gespannten Spiel an ihrer Seite.

Faust bedankte sich für den kräftigen Applaus mit der Fantasia con discretione von Nicola Matteis, also einer Komposition aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, bei der sie eine beeindruckende Mischung aus Lyrik und Virtuosität an den Tag legte.

Alain Altinoglu
(c) Fred Toulet

Mit drei symphonischen Skizzen für Orchester, bekannt als La Mer von Claude Debussy und dem Poème chorégraphique pour Orchestre La Valse von Maurice Ravel boten die Wiener Symphoniker und Alain Altinoglu dann noch expressionistisches Farbenspiel mit französischem Flair.

In den Abbildern der Natur von Debussy fokussierten die Musiker zunächst kurz auf die Atmosphären am Meer in fokussierten Einzelbildern, bevor sie im Verlauf des Stückes immer mehr das Fließen des Wassers und die Bewegungen des Windes als fortlaufende akustische Leinwand etablierten. Dabei machten sie deutlich, dass ihre Klangkultur wieder ein höchst beachtliches Niveau erreicht hat.

Mit La Valse boten sie der Stadt des Walzers einerseits eine Hommage. Andererseits führte die Komposition nach der weitreichenden Walzerseligkeit mit dem Eintreten von verzerrten Rhythmen und dissonante Harmonien in einen Ausbruch von Gewalt und Chaos, so dass der Eindruck kein ungetrübter blieb. Das Publikum ließ sich jedoch nicht von dem verdienten Beifall für die überzeugenden Leistungen des Abends abhalten.

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