Ein Kammerkonzert der herausragenden Art war im Goldenen Saal des Musikvereins Wien zu erleben. Uwe Krusch hörte für Pizzicato, welches Programm die Geigerin Janine Jansen und der Pianist Denis Kozhukhin anzubieten hatten.
Vor der Pause erklangen zwei Kompositionen deutscher Herkunft, nämlich die Sonate in a-Moll von Robert Schumann und die zweite Sonate A-Dur von Johannes Brahms. Die Sonate von Schumann zeigten die Interpreten in den gegenüber den beiden späteren Sonaten gedrungenen Proportionen. Den Anfang unter Hochdruck mit impulsivem Crescendo der Geige über dem atemlosen Agitato der gebrochenen Klavierdreiklänge setzten sie eindrucksvoll, aber auch mit elegischem Unterton in Szene. Im zweiten Satz, einem Tongedicht von pastoraler Einfachheit, hoben sie das Liebliche, so dass sie diesen zu einem ergreifenden Bild formen konnten. Das lebhafte Finale dagegen interpretierten sie mit der der Musik innewohnenden störrischen unwirschen Komponente, so dass sie deren Charakter bestens erkennen ließen.
Die vom Brahms Biographen Max Kalbeck als ‘Eine Liebes- und Lieder-Sonate’ bezeichnete A-Dur-Komposition entwickelten Jansen und Kozhukhin mit dem ihr eigenen lyrischen Grundton. Mit dem Allegro amabile eröffneten sie das Werk frühlingshaft, wie Brahms es in seinen Gedanken an Hermine Spies angelegt haben mochte. In der Durchführung exponierten sie zuerst die energischen Tonrepetitionen, die danach mit ausgedehntem notturnoartigem beharrlichem Impetus in Moll einen neuen Charakter erhielten. Den Mittelsatz, der aus einem langsamen Anteil und einem Scherzo verschmolzen ist, beleuchteten sie in den alternierenden Abschnitten ausdrucksvoll. Die sich entwickelnden Variationen des finalen Rondos machten sie mit der gestalterischen Intensität und formellen Kraft ihres Spiels in mitreißender Art zu einem geschlossenen Hörerlebnis.
Im zweiten Abschnitt des Abends präsentierten Janine Jansen und Denis Kozhukhin Stücke französischer Herkunft, die sich alle neben dem musikalischen Inhalt durch ihre gesteigerten technischen Anforderungen an die Interpreten auszeichneten. Den Anfang machte hier die Sonate für Violine und Klavier von Francis Poulenc. Den ersten Satz, ein Schmelztiegel unterschiedlichster Einflüsse, eröffneten sie überzeugend, indem sie die Gegensätzlichkeiten und überraschenden Metamorphosen in ihrer Darstellung glasklar extrahierten. Das folgende Intermezzo wussten sie mit der Trauer und Melancholie des Ausdrucks zu evaluieren, ohne deswegen eine depressive Schwermut einfließen zu lassen, die unangemessen gewesen wäre. Das finale Presto tragico, das an die traurigen Überlebenden einer Schlacht erinnert, prägten Jansen und Kozhukhin in hochvirtuosem Herangehen, ohne deswegen die Tiefe und Qualität des Ausdrucks außer Acht zu lassen. So konnten sie die beinahe surrealistischen Züge der Musik zum Ende hin hervorheben.
Mit Thème et variations von Olivier Messiaen, seiner einzigen Komposition dieser Besetzung, schuf er trotz der Begrenzung durch die Besetzung und die formelle Gestaltung ein in sich geschlossenes und spannungsvolles Konstrukt. Die Geigerin und der Pianist schafften es ohne jede erkennbare Anstrengung, die sich verdichtende Grundstruktur sowie die Steigerungen in Tempo und Intensität zu bewältigen, bevor sie in der fünften Variation mit dagegen gesetztem äußerst langsamem Spiel, für die Geigerin laut und hoch, für den Pianisten mit hämmernden Akkorden, einen ekstatischen Effekt vor der erlösenden Ruhe erzielten.
Maurice Ravel hatte mit seiner Sonate für Violine und Klavier ein Stück mit allerlei subtilen harmonischen Wendungen geschaffen. Jansen und Kozhukhin schufen eine überwältigende Darstellung, die die nostalgischen Gefühle des ersten Satzes, den synkopierten Rhythmus des zweiten und die nicht enden wollende Energie des dritten Satzes, des Perpetuum mobile, maschinenhaft herausschälte.
Alle Kompositionen, insbesondere die des zweiten Teils des Konzertes hinterließen einen unvergesslichen Eindruck von zwei Interpreten, die aufs engste aufeinander abgestimmt spielen und keine Angst haben müssen, auch herausforderndste kompositorische Vorgaben ohne Abstriche umsetzen zu können und gleichzeitig noch detailfreudig interpretatorisch alles angehen zu können, was verlangt wird und was sie zeigen wollen.
Zum Glück hatte Fritz Kreisler in weiser Voraussicht eine passende Miniatur geschrieben, die sich für ein Konzert in Wien und ein Programm wie dieses speziell etwa den mittleren Satz der Sonate von Ravel als Zugabe bestens geeignet zeigte, nämlich Syncopations. Dieses Schmankerl setzten Janine Jansen und Denis Kozhukhin dem ausgelassen applaudierenden Publikum abschließend in jovial patenter Weise und ebenso austarierter Weise vor.