Musikverein Wien

Die Staatskapelle Berlin, an deren Spitze Christian Thielemann steht, war zum Saisonende mit ihrem Chef zu Gast in Wien. Uwe Krusch erlebte, wie sie die 6. Symphonie von Anton Bruckner und mit der Sopranistin Erin Morley Lieder von Richard Strauss präsentierten.

Mit diesen zwei Komponisten hatten sie ein Programm so ganz nach dem Gusto des neuen Generalmusikdirektors vorbereitet. Die Auswahl der Lieder von Richard Strauss, nämlich Ständchen in der Bearbeitung von Felix Mottl, Meinem Kinde, Mein Auge,„Das Bächlein, Freundliche Vision, Amor, und Zueignung wurde um die Zugabe Nacht ergänzt, für das Thomas Hennig, der im Raum Berlin diverse Musikvereinigungen leitet, nach Klavierskizzen von Richard Strauss eine Orchesterfassung geschaffen hatte.

Als Solistin für die dann acht Orchesterlieder hatte Thielemann die US-amerikanische Koloratursopranistin Erin Morley eingeladen. Mit ihrer an sich wunderbaren und bemerkenswerten Sopranstimme gelangen ihr mit Einschränkungen höchst ansprechende Widergaben. Die im Abendprogramm mitgelieferten Texte konnte man, sofern man sie nicht auswendig kannte, durchaus hinzuziehen, da ihr Idiom beachtlich, aber nicht durchweg verständlich war. Und sie konnte ihre stimmlichen Vorteile vor allem in der Höhe, weniger in der Mittellage zeigen. Und da, in der Höhe, agierte sie bravourös und mit behände leichtem Ansatz, so dass die Koloraturen nur so flogen. Sobald es ruhiger und elegischer wurde, bot sie nicht ganz so überwältigende, wenn auch von den Farbgebungen und Stimmungsaspekten her vielschichtige Interpretationen an. So mag man die Bandbreite ihrer Interpretationen an den Liedern „Amor“ am besseren und „Meinem Kinde“ am anderen Ende verorten.

Christian Thielemann
(c) Matthias Creutziger

Thielemann trug sie musikalisch auf Händen, indem er mit seinen Berliner Staatsmusikern prachtvolle Klanggemälde schuf, die trotzdem die Sängerin nicht einengten. Das gelang, indem er den eigentlich riesigen Orchesterapparat auf kammermusikalische Spielweisen eingeschworen hatte. Da Thielemann ein Orchester zur Verfügung stand, dass auf allen Positionen so exzellent besetzt ist und wohl auch in mehr als 20 Jahren mit Daniel Barenboim an Statur gewonnen hat, so durfte er sich bereits kurz nach Übernahme des Postens als Chef glücklich schätzen, so agile und aufmerksame Musiker an seiner Seite zu haben. Angefangen beim souveränen und seine Soli stilsicher gestaltenden Konzertmeister Wolfram Brandl bis hin in jede Besetzungsecke gab es nur Überzeugendes zu vernehmen.

Die von Thielemann angekündigte Zugabe des unbekannten Liedes Nacht, eben nicht mit dem bekannteren Die Nacht zu verwechseln, zeigte Thomas Hennig als am Komponisten ausgerichteten, aber auch selbstbewussten Orchestrierer. Spätromantisch geprägt bot das Werk eine weitere Komponente aus dem Liedschaffen von Strauss, dessen Darbietung man einfach nur genießen musste.

Mit der Symphonie Nr. 6 von Anton Bruckner bestätigte sich die heute schon enge Bindung von Dirigent und Orchester aneinander. Die Musiker hatten keine Mühe, seine dirigierten Vorstellungen und seien sie auch noch klein, schnell und sicher umzusetzen. So vermochte es das Gespann auch, schon am Beginn im Pianissimo, aber auch später, leiseste Passagen ebenso tragend wie rhythmisch sicher zu gestalten und dabei kleinste Akzentuierungen, die Lebendigkeit vermittelten, zu beherrschen. Demgegenüber standen die kraftvollen Blöcke, für die die Musik von Bruckner bekannt ist. Hier scheuten sich Dirigent und Ensemble nicht, auch machtvoll zuzupacken und die Muskeln tönen zu lassen. Trotzdem schufen sie keine statischen oder protzigen Klangberge, sondern organisch eruptive Gebilde höchster Spielkultur.

Das Publikum huldigte dem Orchester, vor allem aber dem Dirigenten noch lange. Der hatte noch mehrfach auf der Bühne zu erschienen, auch wenn die Musiker nach dem sommerlich heißen Abend schon beim wohlverdienten Kaltgetränk saßen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Gespann bald wieder in Wien zu hören sein wird.

 

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