Roland Moser: Rahel und Pauline (Briefszenen für 1 Schauspielerin, 1 Sängerin & 5 Instrumente); Désirée Meiser, Schauspielerin/Sängerin, Jeannine Hirzel, Mezzosopran, Marcus Weiss, Saxophon, Viviane Chassot, Akkordeon, Stephan Schmidt, Gitarren, Käthi Gohl Moser, Cello, Matthias Würsch, Schlagzeug, Francesc Prat, Leitung; # Solo musica SM 452; Aufnahme 08.2010, Veröffentlichung 10.05.2024 (77'21) – Rezension von Uwe Krusch

Rahel van Varnhagen war mit heutigem Wort eine Netzwerkerin. Als Schriftstellerin, Salondame und Intellektuelle hat sie unzählige Briefe, Tagebucheinträge und Notizen verfasst und in diesen ihre Herzensangelegenheiten, der Suche nach Wahrheit und dem Versuch, den Dingen auf den Grund zu gehen zum Ausdruck gebracht. Sich dem Leben in all seinen Höhen und Tiefen auszusetzen und für Freundschaft und Menschlichkeit zu werben, war ihr Ziel.

Bei der Vielzahl der Personen, mit denen sie korrespondierte und eine Freundschaft pflegte, nahm Pauline Wiesel als engste Freundin eine besondere Stellung ein. Hatte es Rahel als unverheiratete Jüdin schon schwer, so galt Pauline als Femme fatale. So war sie auch Geliebte des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen.

Aus dem Briefwechsel dieser Freundinnen hat Roland Moser in drei Teilen mit Nachspiel ein Stück geschaffen, das hier in konzertanter Form zu hören ist. Besetzt ist das Werk mit einer Schauspielerin, einer Sängerin sowie fünf Instrumenten. Im Nachspiel erfolgt ein Sprung ins 20. Jahrhundert. Dazu hat Imre Kertész einen beklemmenden Text verfasst, mit dem die Vergangenheit und das Geschichtsbewusstsein entsorgt werden.

Der Komponist und die Interpreten dieser Einspielung stammen aus der Schweiz oder sind mit ihr verbunden. In 29 kurzen Einblicken stellen die Interpreten die ausgewählten Texte in intensiven und auch feinsinnigen Interpretationen dar. Das gesprochene Wort steht im Vordergrund. Der Text ist zwar nicht im Beiheft abgedruckt, aber ohne Einschränkungen verständlich. Die instrumentale Deutungserweiterung drängt sich nur gelegentlich nach vorne und bietet dann eine Hörpause vom Text.

Der bis heute nachwirkende und inspirierende Briefverkehr von Rahel wurde zu ihrem 250. Geburtstag 2021 vollständig und kommentierend publiziert. Diese Gestaltung von Roland Moser bietet dazu einen weiteren interessanten Zugang, der es erlaubt, sich damit auseinander zu setzen oder gar die Anregung bietet, tiefer einzusteigen.

Rahel van Varnhagen was, in today’s terms, a networker. As a writer, salon lady and intellectual, she wrote countless letters, diary entries and notes in which she expressed her heartfelt concerns, her search for truth and her attempts to get to the bottom of things. Her aim was to expose herself to life in all its ups and downs and to promote friendship and humanity.

Among the many people with whom she corresponded and cultivated a friendship, Pauline Wiesel occupied a special position as her closest friend. If Rahel already had a hard time as an unmarried Jewish woman, Pauline was considered a femme fatale. She was also the mistress of Prince Louis Ferdinand of Prussia.

From the correspondence between these friends, Roland Moser has created a piece in three parts with an epilogue, which can be heard here in concert form. The work is scored for an actress, a singer and five instruments. The epilogue takes a leap into the 20th century. Imre Kertész has written an oppressive text for it, with which the past and historical consciousness are disposed of.

The composer and the performers of this recording come from Switzerland or are connected to it. In 29 short insights, the performers present the selected texts in intense and subtle interpretations. The spoken word is in the foreground. Although the text is not printed in the booklet, it is understandable without any restrictions. The instrumental interpretation only occasionally pushes itself forward and then offers a break from the text.

Rahel’s inspiring correspondence, which continues to have an impact to this day, was published in full and with commentary for her 250th birthday in 2021. This arrangement by Roland Moser offers a further interesting approach that allows you to engage with it or even provides the stimulus to delve deeper.

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