Kaija Saariaho: La Passion de Simone; Dawn Upshaw, Tapiola Chamber Choir, Finnish Radio Symphony Orchestra, Esa-Pekka Salonen; 1 SACD Ondine ODE1217-5; 10/12 (66'32) – Rezension von Remy Franck

Kaija Saariaho nennt ihr Oratorium für Sopran, Chor, Orchester und Elektronik ‘La Passion de Simone’ und gliedert es als musikalische Reise in 15 Stationen. Der von Amin Maalouf geschriebene (französische) Text basiert auf dem Leben der französischen Philosophin Simone Weil, deren Schriften die Komponistin schon seit ihrer Jugend liest: “Seitdem ich Weils Gedanken zum ersten Mal las, fühle ich mich angesprochen durch deren Kombination strenger Askese mit leidenschaftlicher Suche nach Wahrheit. ‘La Passion de Simone’ ist aber das Ergebnis von Zusammenarbeit mit Amin Maalouf und Peter Sellars; bevor ich anfing zu komponieren, wählten wir gemeinsam die verschiedenen Teile aus Weils Leben und Werk aus für das Libretto. Während ich schon immer fasziniert gewesen bin durch ihr Streben nach abstrakten (mathematischen) und spirituell-intellektuellen Zielen, ist Peter interessiert an Simones sozialem Bewusstsein und ihrer politischen Aktivität. Und Amin brachte die klaffende Diskrepanz zwischen ihrer Philosophie und ihrem Leben hervor; er zeigt das Schicksal des kleinen Menschen inmitten großer Ideen. Zusätzlich zu Simone Weils Philosophie und Leben werden viele allgemeine Fragen der menschlichen Existenz in Amins Text präsentiert. (…) Die 15 in Charakter und Struktur unterschiedlichen Sätze illustrieren verschiedene Momente in Simone Weils Leben und interpretieren einige ihrer Ideen. Der Sopran hat die entscheidende Rolle der Erzählerin. Weils eigene Texte sind Teil der Elektronik, die das Publikum umgibt. Der Chor und das Orchester schaffen die Welt, in der sowohl der Sopran als auch die gesprochenen Worte der Elektronik leben.“

Die Musik ist meditativ, beinhaltet aber auch dramatische Effekte und entspricht musikalisch so der Figur Simone Weil, deren politischer Aktivismus und die Suche nach Gott in einen Mystizismus mündeten, der ihr kurzes Leben stark markierte.

Saariaho begegnet dem Ideenreichtum der Philosophin mit einem genau so großen Reichtum an musikalischen Einfällen. Erst wenn man sich den Text angeeignet hat, wird sich einem wohl die großartige Orchestrierung eröffnen, die Esa-Pekka Salonen sehr nuancierend zu Gehör bringt. Dawn Upshaw singt sehr engagiert, und auch wenn man nicht alles versteht, doch erstaunlich textverständlich.

Eine wichtige Aufnahme mit einem wichtigen Werk zeitgenössischer Musik.

With ‘La Passion de Simone’, Kahia Saariaho adds another female portrait to her music. Together with Peter Sellars and Amin Maalouf she selected essential moments in Simone Weil’s short life, matching with her rich and imaginative music the abundance of ideas which can be found in Weil’s works.

Avec ‘La Passion de Simone’, Kahia Saariaho ajoute un nouveau portrait féminin à son œuvre. Ensemble avec Peter Sellars et Amin Maalouf elle a sélectionné des moments essentiels de la courte vie de Simone Weil. La richesse des idées de la philosophe française trouve son pendant dans l’imagination foisonnante de la compositrice.

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