Claude Debussy: Six épigraphes antiques + Prélude à l’après-midi d’un faune; Igor Stravinsky: Pétrouchka; Geister Duo (David Salmon, Manuel Vieillard); 1 CD Mirare 656; Aufnahme: 04.2022, Veröffentlichung 04.23 (59’00) - Rezension von Alain Steffen & Uwe Krusch

Alain Steffen: Ich kenne keine Aufnahme von Igor Stravinskys Pétrouchka, die die Jahrmarktsstimmung, den Trubel und die Geschehnisse so lebendig und überzeugend wiedergibt, wie es in dieser Interpretation durch das junge französische Klavierduo Geister Duo zu erleben ist. Die vierhändige Klavierfassung wird von David Salmon und Manuel Vieillard maximal ausgelotet und man ist immer wieder erstaunt, wie es den beiden Musikern gelingt, plastische Bilder und Details, Stimmungen und Farben vor dem geistigen Auge entstehen zu lassen. Hier wird der Hörer wirklich Zeuge der Handlung und erlebt in jedem Moment auf eine höchst expressive Art und Weise mit, was passiert. Das ist ein musikalischer Ausnahmezustand auf dem Jahrmarkt! Dabei weist die perkussive und rhythmisch prägnante Interpretation immer wieder auf den Charakter der Ballets Russes hin und verbindet ungestüme Kraft mit sensibler Gestaltungsfähigkeit. Das geschieht auf einem Bechstein-Flügel und in einem sehr transparenten Klangbild, das offen und räumlich ist und die Szenerie somit quasi dreidimensional in Klang umsetzt. Während die Melodien sehr gut ausschwingen bleiben die perkussiven Attacken gewollt trocken. Doch diese scheinbaren Gegensätze verbinden sich immer wieder zu einem absolut magistralen Klanggeschehen, das von den zwei Pianisten permanent auf höchstem Niveau gehalten wird.

Auf der einen Seite sehr frisch und klar, auf der andern wiederum sehr zurückgenommen und stimmungsbetont können Claude Debussys Six épigraphes antiques und Prélude à l’après-midi d’un faune (in einer Bearbeitung für vierhändiges Klavier von Maurice Ravel) ebenfalls auf der ganzen Linie überzeugen.

Mit dem exzellenten Spiel der Pianisten und ihren intelligenten Interpretationen lässt diese CD keine Wünsche offen. Jeder der sie hört, wird schnell merken, dass sie Referenzcharakter hat und somit ein schönes Beispiel dafür ist, dass man durch hingebungsvolle Interpreten selbst in einem vielgespielten Werk wie Pétrouchka immer noch neue Aspekte entdecken kann.

I know of no recording of Igor Stravinsky’s Pétrouchka that renders the fairground atmosphere, the hustle and bustle, and the events as vividly and convincingly as can be experienced in this interpretation by the young French piano duo Geister Duo. The four-hand piano version is explored to the maximum by David Salmon and Manuel Vieillard, and one is always amazed at how the two musicians manage to create vivid images and details, moods, and colors before the mind’s eye. Here the listener really becomes a witness of the action and experiences in every moment in a highly expressive way what is happening. This is a musical state of emergency at the fair! At the same time, the percussive and rhythmically concise interpretation repeatedly points to the character of the Ballets Russes and combines impetuous power with sensitive creative ability. This is done on a Bechstein grand piano and in a very transparent sound that is open and spatial, thus translating the scenery into sound in a quasi-three-dimensional way. While the melodies resonate very well, the percussive attacks remain deliberately dry. But these apparent opposites combine again and again to an absolutely magisterial sound event, which is permanently kept on the highest level by the two pianists.

Claude Debussy’s Six épigraphes antiques and Prélude à l’après-midi d’un faune (in an arrangement for four-hand piano by Maurice Ravel) are also convincing all along the line.

With the pianists’ excellent playing and their intelligent interpretations, this CD leaves nothing to be desired. Anyone who listens to it will quickly realize that it has reference character and is thus a fine example of how, through devoted interpreters, one can still discover new aspects even in a much-performed work like Pétrouchka.

Uwe Krusch: Für jemanden, der die auf dieser Einspielung vorgestellten Werke primär als Orchesterwerke kennt, ist diese Aufnahme ein ungewohnter, aber reicher Fundus an neuen Eindrücken. Insbesondere bei Petrouchka bieten sich neue Perspektiven. In den Klangmengen der Orchesterfassungen bieten sich farbig reiche Höreindrücke. In einer Fassung für Klavier vier Hände treten dagegen strukturelle Aspekte stärker hervor und ergänzen das Bild.

Das gilt umso mehr, wenn ein Duo aus zwei eng miteinander eingespielten und aufeinander abgestimmten Pianisten die Darbietung übernimmt. Trotz dieser Eintracht gelingt es ihnen, die in der Musik angelegten konträren Figuren in ihren Charakteren darzustellen. Zunächst werden die Marionetten mechanisch-motorisch und später als zum Leben erwachte Elemente gekennzeichnet. Daneben werden auch die russischen Volksweisen aus der Komposition mit sinnlichem Anschlag oder auch kraftvoll wie gehämmert gezeigt. Dabei wird ihr Spiel nie brutal, sondern behält immer Qualität und Gleichgewicht.

In den Six Épigraphes antiques und dem Prélude à l’après-midi d’un faune, also den Werken von Debussy, wird die geheimnisvolle Korrespondenz zwischen Natur und Einbildungskraft bzw. die weibliche Erotik verherrlicht. Die Auren in diesen Werken suchen einen anderen musikalischen Ansatz, nämlich den Klang der Werke, also hin zum Impressionismus. Auch diese Seite wissen die beiden Pianisten in geeigneter Weise auszukosten. Gefallen mir in diesem Kontext auch die Orchesterfassungen besser, so kann ich auch dieser vierhändigen Ausarbeitung viel abgewinnen. Sensibel der Musik nachforschend kann das Geister Duo die Farben nachmalen, so dass die Vierhändigkeit nicht durch Kraft die Musik überzeichnet.

For someone who knows the works presented on this recording primarily as orchestral works, this recording is an unfamiliar but rich fund of new impressions. Petrouchka, in particular, offers new perspectives. The sound volumes of the orchestral versions offer richly colored listening impressions. In a version for piano four hands, on the other hand, structural aspects stand out more strongly and complement the picture.

This is all the more true when a duo of two closely attuned and coordinated pianists takes over the performance. Despite this unanimity, they succeed in portraying the contrasting characters laid out in the music. Initially, the puppets are characterized as mechanical-motor and later as elements that come to life. In addition, the Russian folk tunes from the composition are shown with a sensual touch or powerfully as if hammered. At the same time, her playing never becomes brutal, but always retains quality and balance.

In the Six Épigraphes antiques and the Prélude à l’après-midi d’un faune, works by Debussy, the mysterious correspondence between nature and imagination and female eroticism are glorified, respectively. The auras in these works seek a different musical approach, namely the sound of the works, that is, towards impressionism. The two pianists also know how to savor this side in an appropriate manner. If I like the orchestral versions better in this context, I can also appreciate this four-hand version. Sensitively investigating the music, the Geister Duo can paint the colors, so that the four-hands do not overdraw the music by force.

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