Kloster Ochsenhausen

Mit dem ‘Festlichen Eröffnungskonzert’ begann gestern der Schwäbische Frühling im Bibliothekssaal des Klosters Ochsenhausen. Der Titel war freilich falsch, denn festlich war überhaupt nichts in diesem musikalischen Gefühlsstrudel. Remy Franck hat versucht, den Kopf in den Stromschnellen über Wasser zu halten.

Joseph Haydns Trio für Klavier, Violine und Violoncello, Hob. XV:29 bildete den Startpunkt des Konzerts. Die Haydn-Trios haben einen wichtigen Klavierpart, und dies erlaubte es der hervorragenden Pianistin Kathryn Stott, in den vielen ausdrucksstarken und virtuosen Zügen zu glänzen, die diese Partitur birgt. Dabei profitierte sie von der tadellosen Unterstützung ihrer Partner, Esther Hoppe an der Violine und Christian Poltéra am Cello, um eine lebendige und ungewöhnlich intensive Interpretation zu bieten.

Die drei Musiker hatten ein feines Gespür für die Stimmungen der Musik und ihre Veränderungen, um so zu zeigen, dass in dem meisterlichen Trio mehr steckt als man oft darin zu hören bekommt. So wurde die ganze Fantasie deutlich, mit der Haydn dieses Werk bereicherte, angefangen von den frischen und frühlingshaften Akzenten und gelegentlichen Eintrübungen im ersten Satz, über meditative Innigkeit bis zu wunderbar melancholischen Passagen im zweiten und dem sehr energetischen, aber auch tänzerisch rustikalen Charakter des Finales. Man wurde nicht müde, dieses abwechslungsreiche musikalische Geschehen zu verfolgen.

Der Violinist Linus Roth – er ist auch künstlerischer Leiter und Intendant des Festivals – und die erneut großartig aufspielende Kathryn Stott spielten dann César Francks Sonate für Violine und Klavier.

Die beiden begannen den ersten Satz noch recht ‘moderato’ und erzielten so eine zunächst sensuelle Atmosphäre, die Kathryn Stott aber mit kräftigen Kontrasten belebte. Das initiierte dann schnell ein sehr leidenschaftliches Musizieren, das zeigte, dass diese Sonate auch ohne entsprechendes Programm ein Vorläufer von Schönbergs Verklärter Nacht ist.

Das Rezitativische des dritten Satzes kam fast improvisatorisch zum Ausdruck, in einem immer wieder höchst aufgewühlten und aufwühlenden Musizieren. Im Finale haben die beiden Musiker bei allen versöhnlicheren Momenten dennoch einen regelrechten Strudel der Gefühle inszeniert, und als plötzlich die Abendsonne durch die Fenster in den Bibliothekssaal drang, wurde man auch optisch darauf hingewiesen, dass diese Musik keine Hoffnung bringt, sondern eben Untergang. Und als die letzten Noten verklangen, war die Sonne auch weg.

Thomas Selditz, Christian Poltéra, Linus Roth, Kathryn Stott, Esther Hoppe
(c) Remy Franck

Das Quintett für Klavier, zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 34 von Johannes Brahms vereinte Kathryn Stott am Klavier, Esther Hoppe und Linus Roth an den Geigen, Thomas Selditz an der Viola und Christian Poltéra am Cello. Sie spielten kongenial zusammen, brachten Kraft und Spannung die Musik.

Doch es war nicht nur die Transparenz im aufrauschend Symphonischen, das man bewunderte nicht nur das anregende Cantando, wie es Toscanini bei Brahms forderte, sondern das differenzierte Spiel der fünf Musiker, mit äußerst klaren und markanten Formulierungen des Klaviers, warmen, wie beschwichtigenden Worten des Cellos und immer wieder provozierenden Einwürfen der Geigen. Mysteriöse Kräfte ballten sich im Klanggeschehen, in dem, bei aller Detailfreudigkeit, der werkimmanente Spannungsverlauf durchaus erhalten blieb und das Quintett ungemein hintergründig und vielschichtig werden ließ.

Nach der puren Poesie des zweiten Satzes kam das Scherzo forsch daher, gestisch drängend, hin und wieder regelrecht peitschend. Der Anfang des Finalsatzes wirkte danach wie aus dem Jenseits kommend und gewann im Poco sostenuto ungemein tragische Züge, die ein ganz besonderes Licht auf den Rest des Satzes warfen, in dem sich Ironie und Leidenschaftlichkeit mischten und die Basis lieferten für ein ständiges Aufkochen der Musik. So ganz wohl wollte sich die Musik nicht mehr anfühlen, und die fünf Musiker zeigten letztlich einen sehr verstörten Brahms.

« Das war doch schön », kommentierte eine Dame hinter mir, und lag voll daneben. Schön war das Gott sei Dank überhaupt nicht, sondern erregend, aufwühlend und in seiner Leidenschaftlichkeit kaum zu überbieten.

Die musikalische Messlatte liegt beim Schwäbischen Frühling somit extrem hoch. Die nächsten Konzerte werden hoffentlich zeigen, dass die erreichte Position ein fixer Eichwert ist.

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