Wolfgang E. Korngold: Vier Walzer für Klavier; Eric Zeisl: 8 Klavierstücke (November); Ernst Toch: Scherzo in h-Moll op. 11, Profile Nr. 3 op. 68, Der Jongleur, Burleske op. 31 Nr. 3; Arnold Schönberg: Sechs kleine Stücke op. 19; Mario Castelnuovo-Tedesco: Cielo di settembre op. 1, I Naviganti, Fandango; Eric Le Van, Klavier; Music & Arts 1271; 2/09 (68'18) – Rezension von Remy Franck

Eines haben sie gemeinsam, die doch sehr unterschiedlichen fünf Komponisten dieser CD: sie sind jüdischer Herkunft und mussten Europa verlassen, um dem Faschismus zu entkommen. Der amerikanische Pianist Eric Le Van hat ein wirklich attraktives Programm mit Werken dieser fünf Komponisten zusammengestellt. Mit großer Geste zielen seine Interpretation durchwegs auf Wirkung ab, und er lässt keinen Zweifel daran, dass er sich als Anwalt der vernachlässigten Werke ansieht.

Das Programm wird eingeleitet von Korngolds ‘Vier Walzern für Klavier’, die auch unter den Titeln ‘Vier kleine Walzer’ oder sogar ‘Vier kleine fröhliche Walzer’ bekannt sind. Eine Opuszahl haben sie nicht, weil sie erst 1997 wiedergefunden wurden. Über die Entstehungszeit gibt es widersprüchliche Angaben: Die ‘Korngold Society’ datiert sie auf 1912, Le Van in seinem Textheft auf 1911 und der Verleger Schott auf 1914. Eric Le Van spielt die vier Jugendfreundinnen gewidmeten Walzer – eigentlich sind es kleine Klavierporträts – mit der Expressivität, nach der der Komponist in seiner Partitur immer wieder verlangt und mit der er den Titel ‘Kleine Walzer’ relativiert.

An zweiter Stelle steht der Zyklus ‘November’ von Eric Zeisl, ein anderer jener von den Nazis Geächteten, die sich zwar ins Exil retten konnten, deren durch die Barbarei zerbrochene Karriere aber nie wieder ihrem Talent entsprechend weitergeführt werden konnte. Den Zyklus ‘November’ hat Zeisl 1938 komponiert, kurz vor seiner Emigration, und der düstere Ton, den Le Van bewegend stimmungsvoll zum Ausdruck bringt, ist gewiss auch eine Reaktion auf die politischen Ereignisse in Deutschland und eine Vorahnung dessen, was ihn erwartete.

Den Zyklus hat Zeisl später teilweise unter dem Titel ‘Six Sketches for Chamber Orchestra’ für Kammerorchester bearbeitet (er wurde vom UCLA Philharmonia aufgenommen. Rezension hier)

Zum Teil sehr virtuos geht es in den drei Stücken von Ernst Toch her. Ernst Toch (1887-1964) hat sich bis heute nicht wirklich von dem ihm von den Nazis aufgedrückten Stempel eines entarteten Komponisten erholt. Aber jedes Werk, das man von ihm hört, zeigt, was aus dem Wiener Komponisten hätte werden können, wäre ihm eine normale Entwicklung gegönnt gewesen. Das Schicksal wollte es anders. Das Scherzo setzt das Level an Energie und Intensität der Musik gleich enorm hoch, während ‘Profile’ als Mittelstück der drei Kompositionen lyrisch-verspielt ist. Es folgt der in seiner Lebhaftigkeit wunderbar burleske ‘Jongleur’ op. 31/3.

Arnold Schönbergs ‘Sechs kleine Stücke’ mit ihrem dezidierten Ausbruch aus der Tonalität bringen eine reflektive und irgendwie irritierende Phase ins Programm, als wolle Le Van unser Bewusstsein für das schärfen, was mit diesen Komponisten geschah

Mario Castelnuovo-Tedesco, der jüdischer Herkunft war, 1939 wegen der faschistischen Rassengesetzgebung in Italien emigrierte und Arbeit bei den MGM Filmstudios fand, wo er mehr als zweihundert Filmmusiken schrieb, ist mit seinen Werken ‘Cielo di settembre’ – seinem Opus 1 -, ‘I Naviganti’ und ‘Fandango’ vertreten. Es sind drei klangmalerische Werke, die das Programm der CD ‘Exile’ evokativ beenden.

Eine gute Tonaufnahme sowie ein exzellent dokumentiertes Textheft sind weitere Vorzüge dieser empfehlenswerten Produktion.

The CD ‘Exile’ concentrates on five European composers who emigrated in the United States, once the fascism became a threat to their and their family’s life. Eric Le Van’s committed playing gives all the pieces the importance they deserve. With a maximum of expressiveness the program allows the listener to discover this piano gems in the best possible way.

Ein Interview mit Eric Le Van gibt es in unserer Rubrik ‘Features & Interviews’

Link to the interview

An interview with Eric Le Van is available in the section ‘Features & Interviews’

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