Marie Jaëll: La Légende des Ours, Concerto pour violoncelle, Sémélé, Les Beaux Jours, Concerto pour piano et orchestre nos. 1 & 2, Douze Valses et Finale, Ce qu’on entend dans l’Enfer (Ausz.), Ce qu’on entend dans le Purgatoire (Ausz.), Ce qu’on entend dans le Paradis (Ausz.), Les Jours pluvieux; Xavier Phillips (Cello), David Bismuth, Lidija & Sanja Bizjak, David Violi, Dana Ciocarlie, Romain Descharmes, Nicolas Stavy (Klavier), Chantal Santon-Jeffery (Sopran), Orchestre National de Lille, Brussels Philharmonic, Joseph Swensen, Hervé Niquet; 3 CDs Ediciones Singulares ES 1022; Aufnahmen 2012-15, Veröffentlichung 01/2016 (173') – Rezension von Remy Franck

Eine komplexe Figur ist diese Marie Jaëll, deren Musik das ‘Palazetto Bru Zane’ jetzt ans Tageslicht befördert. 1846 im Elsass geboren, als Pianistin ausgebildet, galt sie recht früh als Virtuosin. Mit 20 heiratete sie den österreichischen Pianisten Alfred Jaëll, der starb, als sie 36 war. Mit 22 hatte sie Liszt gehört und war von ihm und seinem Spiel fasziniert. Sie generell als Liszt-Epigonin zu bezeichnen, wäre ungerecht, obschon kein anderer als Johannes Brahms das 1888 tat. Wie viele Komponistinnen hatte sie trotz der ihr nachgesagten starken Persönlichkeit mit ihren Werken keinen dauerhaften Erfolg, da war ihre Klaviermethode schon etwas langlebiger. Und zudem war sie, als sie sich in Passy zurückgezogen hatte, auch musikschriftstellerisch aktiv geworden und gab einige bemerkenswerte musikwissenschaftliche Bücher heraus. Hier aber soll von ihrer Musik die Rede sein.

Die erste CD beginnt mit den ‘humoristische Orchesterliedern ‘La légende des Ours’, die Jaëll mit großem Raffinement auf eigene Texte komponiert und orchestriert, hat. Obwohl melodisch von beschränkter Erfindungsgabe, enthält die Musik, dramaturgische Ideen und Stimmungen, die Hervé Niquet mit viel Gestaltungsphantasie recht dramatisch werden lässt. Leider kann die Solistin Chantal Santon-Jeffery, die kaum je textverständlich singt, da nicht mithalten. Sie verpasst ständig Chancen, dem gesungenen Wort durch Farben, Nuancen und Akzente Bedeutung zu verleihen, durch Differenzierung den Humor der Dichtung hörbar zu machen.

Das Cellokonzert spielt Xavier Phillips gleichermaßen einfühlsam und virtuos, wobei insbesondere das Lyrische ihm wunderbar gelingt, eingehüllt in die reich duftenden Klänge des ‘Brussels Philharmonic’: hier entdeckt man ein ganz tolles Cellokonzert, das genug musikalische Qualität und individuellen Charakter hat, um repertoirewürdig zu sein.
Die rumänische Pianistin Dana Ciocarlie geht mit viel Sinn für die kleine Dramatik der meistens eine knappe Minute dauernden Miniaturen von ‘Les Jours Pluvieux’ heran, da hört man ebenso das Feuer knistern, wie den Jasmin duften oder das Wasser im Bach Fließen. Das unschuldige Stück Musik brauchte sicher einen Interpreten wie Ciocarlie um seinen Charme in der Natürlichkeit der Gestaltung zu entfalten

Die zweite CD enthält die beiden heroisch-brillanten Klavierkonzerte Jaëlls, in packenden Darbietungen von David Violi, Romain Descharmes und dem ‘Orchestre National de Lille’ unter Joseph Swensen.

Die dritte CD bietet abwechslungsreiche Klavierstücke, die Marie Jaëlls Kunst der Differenzierung von Stimmungen und Ausdruck hörbar machen. Das wird besonders deutlich in den an den späten Liszt erinnernden und von Dante-Texten inspirierten ‘Ce que l’on entend’-Kompositionen, die Mitte der Achtzigerjahre entstanden, und die von Nicolas Stavy eindringlich gespielt werden.

Mit Titeln wie ‘Vent et Pluie’, ‘Grisaille’, ‘Petite Pluie Fine’ oder ‘On Rêve du Beau Temps’ ist ‘Les jours pluvieux’ (1894) ein weiteres Werk, in dem Jaëll ihre Kunst der Färbung und der Nuancen tonmalerisch einsetzt.

Summa summarum ist dies also eine hoch attraktive Veröffentlichung, angereichert mit informativen Aufsätzen und viel Backgroundinformation.

This programme contents works by the French romantic composer Marie Jaëll. She might have been influenced by Franz Liszt, yet her music shows a powerful imagination. Considering the fact that the various performers hardly played any of Jaëll’s works before, they certainly have done an astonishingly good job for obtaining such an authentic playing. The recording is provided with a book full of interesting background information.

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