Hanns Eisler: Deutsche Sinfonie op. 50 (für Soli, Sprechstimmen, Chor & Orchester auf Texte von Bertold Brecht, Hanns Eisler, Julius Bittner); Ursula Targler, Sopran, Hanna Fahlbusch-Wald, Mezzosopran, Michael Ebbecke, Bariton, Jaroslav Stajnc, Sprecher, Wiener Jeunesse-Chor, ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Günther Theuring; 1 CD Capriccio 5428; Liveaufnahme 03/1989; Veröffentlichung 02/2021 (66:41) – Rezension von Uwe Krusch

Hanns Eislers Deutsche Sinfonie ist ein komplexes Werk zur deutschen Politik der Entstehungszeit, also rund um die Mitte des letzten Jahrhunderts. Etliche Aspekte sind im Beiheft dargestellt. In mehr als zweieinhalb Jahrzehnten geschrieben, fasst es elf Abschnitte zusammen, die in vielen Hinsichten sehr unterschiedlichen Charakters sind. Eisler mischt avancierte Collagetechnik aus Kampfmusikelementen, dodekafonischer Idiomatik und expressiven Kulminationspunkten mit Oratorienhaftem, nicht selten ins breitwandige Pathos wechselnd.

Obwohl die Sinfonie als eines seiner besten Werke angesehen wird, hat es nach wie vor eine komplizierte Aufführungshistorie. Eisler wollte das Werk als Beispiel für die Verbindung von Avantgarde-Kunst und Volksfront darstellen. Die Entwicklungen der Schönberg-Schule wollte er mit politisch-agitatorischen Aspekten einer Einheitsfront gegen den Nationalsozialismus koppeln. Neben diesen Absichten, mit denen Eisler einen Gegenentwurf zur offiziösen Sicht schaffen wollte, treten auch aufführungstechnische Herausforderungen.

So hat Eisler selber Wert darauf gelegt, dass die Interpreten quasi eine neutrale Darstellung wählen und nicht etwa ihr Innenleben offenlegen. Sänger sollten höflich und leicht singen und eher referieren als ausdrücken. Zwar hat Eisler dies zu den Ernsten Gesängen geäußert, aber man kann es auch auf die Deutsche Sinfonie analog anwenden. In diesem Sinne ist den Mitwirkenden eine sehr gute Interpretation gelungen, da sich das Werk auf dieser Aufnahme eben wie vorgetragen anhört und keine innere Befassung erkennen lässt. Die Gesamtleitung dieser schon mehr als dreißig Jahre zurückliegenden Aufnahme hatte Günther Theuring, der den Wiener Jeunesse Chor gegründet und geformt hatte. Der Chor, der hier die Aufgaben des Frauenchors übernimmt, zeichnet sich durch Homogenität und Flexibilität aus.

Die Gesangssolisten geben ihren Partien ein wirksames Gepräge. Dabei ist die Artikulation der Männerstimmen deutlicher, was auch an der Aufnahme im Konzert liegen mag. Die beiden Sprechstimmen überzeugen ohne Abstriche. Man mag sich allerdings fragen, ob hier nicht doch ein noch größerer musikalischer Ausdruck erreicht worden wäre, wenn innerhalb der Bauernkantate die „Flüstergespräche“ wirklich geflüstert worden wären. Das hätte man sicherlich auch im Konzert und erst recht auf der Aufnahme technisch meistern können.

Das Radio Sinfonieorchester des ORF in Wien legt unter der Leitung des Chordirigenten eine trotz mancher Ballung weiche Artikulation an den Tag, die man auch als Kommentar auf die Musikpraxis der Zeit deuten mag. Auch beim Orchester festigt sich das Bild einer gewissen Distanz zum Subjekt, so dass sich Eisler wiederfinden dürfte.

Hanns Eisler’s Deutsche Sinfonie (German Symphony) is a complex work on German politics at the time of its composition, i.e. around the middle of the last century. Written over more than two and a half decades, it summarizes eleven sections that are very different in many respects. The composer mixes advanced collage techniques combining martial music elements, dodecaphonic idiom and expressive culmination with oratorio-like elements, not infrequently switching to broad-walled pathos.
Although the symphony is considered one of his best works, it still has a complicated performance history. Eisler wanted to present the work as an example of the connection between avant-garde art and the popular front. He wanted to couple the developments of the Schönberg School with political-agitational aspects of a united front against National Socialism. Alongside these intentions, with which Eisler wanted to create a counter-design to the official view, there are also performance challenges.
For example, Eisler asked from the performers a neutral performance, not revealing their feelings. Singers were to sing soberly and lightly without being expressive. Although Eisler expressed this with regard to the Ernste Gesänge, it can also be applied to the Deutsche Sinfonie. In this sense, the performers have succeeded in giving a very good interpretation, since the work on this recording sounds as if it has been performed and does not reveal any inner preoccupation. The performance is conducted by Günther Theuring, who founded and formed the Vienna Jeunesse Choir. The choir, which here takes over the tasks of the women’s choir, is homogeneous and flexible.
The vocal soloists do a good job. The articulation of the male voices is clearer, which may also be due to the live recording during a concert. The two speaking voices are convincing without compromise. One may wonder, however, whether an even greater musical expression would not have been achieved here if the ‘whispered conversations’ in the peasant cantata had really been whispered.
The Radio Symphony Orchestra of the ORF in Vienna, under the direction of the choral conductor, displays a soft articulation despite some more heavy passages, which might also be a commentary on the musical practice of the time. With the orchestra, too, the image of a certain distance to the subject is consolidated, so that Eisler might have been satisfied.

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