Charles Ives: Symphonien Nr. 3 und Nr. 4 + Selected American Hymns; Peter Dugan, Klavier, San Francisco Symphony Chorus, San Francisco Symphony Orchestra, Michael Tilson Thomas; 1 SACD SFS media SFS 0076; Aufnahme 11/2017; Veröffentlichung 11/2019 (68:53) – Rezension von Uwe Krusch

Dreißig bzw. beinahe vierzig Jahre ist es her, dass sich Michael Tilson Thomas dien Symphonien Nr. 3 und 4 von Charles Ives auf CD widmete. Damals leitete er die Orchester aus Chicago und Amsterdam. Nun legt er die Einspielung mit seinem Orchester aus San Francisco in einem Konzertmitschnitt vor. Kombiniert werden die beiden Stücke mit ausgewählten Amerikanischen Hymnen.

Bereits als Ives noch ein Kind war, wurde die Vorliebe für sich überlagernde Klänge gelegt, die die meisten Menschen als schräg empfinden. Das hatte er von seinem Vater mitbekommen, der diese zufälligen Überlagerungen genoss, etwa wenn diverse Musikkapellen bei Volksfesten zusammen kamen oder wenn die Begleitung fälschlicherweise eine andere Tonart verwendete als die führende Stimme. Ives machte daraus für sich ein Kompositionsprinzip, womit er zum Schreckgespenst des bürgerlichen Publikums und auch mancher Musiker wurde.

Während seine Dritte Symphonie von solchen Aspekten frei ist, kann man sie in der Vierten gut erkennen. Beiden Werken und auch den American Hymns ist gemein, dass sie in gewisser Weise auf amerikanischer Volksmusik basieren, wenn man neben Kirchenliedern auch Militärmärsche und patriotische Musik ebenso dazu rechnet wie Studentenlieder sowie Salon- und Varieté-Musik.

Die Zusammenstellung der beiden Symphonien zeigt also zwei Seiten des Komponisten. Im Klangerlebnis ist die Dritte eher ruhig und auch für den mit dieser Musik wenig vertrauten Hörer nachvollziehbar. Die Vierte fordert den Lauschenden deutlich.

Die Interpretationen aus San Francisco machen diese Unterschiede deutlich. Gegenüber den alten Aufnahmen fallen nur geringfügige Unterschiede auf. Die längere Spieldauer bei der Vierten, die beinahe gleiche bei der Dritten Symphonie machen da keine Ausnahme. Vielleicht wirkt insbesondere die spätere Symphonie noch klarer strukturiert und noch deutlicher artikuliert als damals, was wohl eher für die größere Durchdringung durch den Dirigenten und auch im Orchester spricht. Denn hatte Stokowski bei der Uraufführung noch zwei Dirigenten hinzugezogen, um das Werk zu bändigen, belässt es MTT bei einem weiteren; andere wagen sich allein daran.

Die eingestreuten Hymnen sind mit Bezug auf die in den Symphonien eingesetzten Kirchenlieder zu hören. Der Chor bewältigt seine Partien sehr gut, ohne an die Feinheit der Gestaltung amerikanischer Orchester ganz heranzureichen. Das Orchester und MTT sind eine eingeschworene Gemeinschaft, die sich den komplizierten Aufgaben mit hörbarem Genuss und technisch herausragend widmen. In solch überzeugenden Darstellungen verliert das enfant terrible Charles Ives einen Großteil seines Schreckens.

It has been thirty or almost forty years since Michael Tilson Thomas made his first recording of Ives’ Symphonies Nos. 3 and 4. Now he presents a new live recording with the San Francisco Symphony.
Already when Ives was a child, he adored overlapping sounds, something, which most people perceive as weird. He had noticed this from his father, who enjoyed these random superimpositions, for example when various bands came together at folk festivals or when the accompaniment mistakenly used a different key than the leading voice. Ives made it a principle of composition in its own right, which made him the spectre of the bourgeois public and many a musician.
While his Third Symphony is free of overlapping sounds, we clearly hear them in the Fourth Symphony. Both works and the American Hymns have in common that they are to some extent based on American folk music, if one includes military marches and patriotic music in addition to church songs, as well as student songs or salon and vaudeville music.
The composition of the two symphonies thus shows two sides of the composer. The Third is rather calm and easier to access by listeners who are less familiar with this music. The Fourth is more challenging. Compared to MTT’s previous recordings, only minor differences are noticeable. Perhaps the Fourth is more clearly structured and articulated, which is due to a greater absorption of the music by the conductor and the orchestra.
In the hymns the choir’s singing is good, without reaching the finesse of the orchestral performance.

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