Yannick Nézet-Séguin
Photo: Marco Borggreve

In Baden-Baden fand jetzt erneut die Baden-Baden-Gala statt. Im Festspielhaus wurde in zwei konzertanten Vorstellungen Mozarts ‘Le Nozze di Figaro’ aufgeführt. Alain Steffen war bei der zweiten Vorstellung am 19. Juli für Pizzicato dabei.

Bei Mozart-Opern denken natürlich viele der älteren Musikliebhaber sofort an die großartigen Ensembleleistungen aus Wien und Salzburg (unter Böhm) sowie Berlin (unter Fricsay) zurück. Hier wie dort wurden die Einspielungen mit den besten Mozart-Sängern der damaligen Zeit von der Deutschen Grammophon gemacht, die sich nun auch an diesem Baden-Badener Mozart-Projekt beteiligt und die mitgeschnittenen konzertanten Aufführungen auf CD herausbringt. Nach ‘Don Giovanni’, ‘Cosi fan tutte’ und der ‘Entführung aus dem Serail’ standen in diesem Jahr zwei Aufführungen von Mozarts ‘Le Nozze di Figaro’ auf dem Programm.

Im Baden-Badener Festspielhaus lebt so die Tradition des Ensemble-Theaters wieder auf. Seit ‘Don Giovanni’ findet sich alljährlich ein fester Kern von Mozart-Interpreten zusammen, die den Interpretationen ihren Stempel aufdrücken.

Dieses Mozart-Projekt, von Yannick Nézet-Séguin und Rolando Villazon initiiert, kommt durch sorgfältig ausgesuchten Besetzungen und einem in sich geschlossenen Interpretations-Konzept den alten Mozart-Einspielungen sehr nahe.

Nézet-Séguin ist für mich die Entdeckung dieser ‘Figaro’-Aufführung gewesen. Der junge Kanadier brachte einen sehr frischen und äußerst dynamischen Mozart zu Gehör, der durch seinen feinen, kammermusikalischen Charakter mehr an den Berliner Fricsay-Stil als an den symphonisch geprägten Mozart eines Karl Böhm erinnerte. Zudem war er in permanentem Kontakt mit seinen Sängern, die er quasi individuell begleitete. Aber es war vor allem die gute Laune, die diesen ‘Figaro’ auszeichnete. Alle schienen sich prächtig zu verstehen und zu amüsieren. Villazon ist es hoch anzurechnen, dass er die eher kleine Rolle des Basilio angenommen hatte. Diese stattete er mit seinem untrüglichen Gespür für Komik so treffend aus, dass man ihm für seine Herumgekasperl einfach nicht böse sein kann.

Thomas Hampson, Sonya Yoncheva, Yannick Nézet-Séguin, Angela Brower, Luca Pisaroni, Christiane Karg © Michael Gregonowits

Thomas Hampson, Sonya Yoncheva, Yannick Nézet-Séguin, Angela Brower, Luca Pisaroni, Christiane Karg
© Michael Gregonowits

Thomas Hampson sang einen überragenden Grafen, während Sonya Yoncheva, die kurzfristig für die erkrankte Diana Damrau als Gräfin eingesprungen war, das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. Aber auch Christiane Karg als Susanna bot eine phänomenale Darbietung, obwohl sie wohl die undankbarste Rolle hatte. Die Stärke der Partie liegt nämlich nicht in den Duetten oder den Arien, sondern vielmehr in den Rezitativen, die sie mit einer unglaublichen Farbenvielfalt zu gestalten wusste.

Luca Pisaroni, der schon vor ein paar Jahren als Leporello das Publikum von den Stühlen riss, war ein sehr überzeugender und sängerisch tadelloser Figaro. Großes Lob auch für Angela Brower, der Baden-Badener Dorabella der Cosi-Aufführung aus dem Jahre 2013. Anne Sofie von Otter war eine Luxusbesetzung für die Marcellina, während auch die kleineren Rollen mit Regula Mühlemann (Barbarina) Maurizio Muraro (Bartolo), Jean-Paul Fouchécourt (Don Curzio) und Philippe Sly (Antonio) glänzend besetzt waren. Hochachtung auch für den Amateurchor ‘Vocalensemble Rastatt’, der in bisher in jeder Baden-Badener Mozart-Gala dabei war.

Das ‘Chamber Orchestra of Europe’ entpuppte sich als der ideale Klangkörper, der Yannick Nézet-Séguins Visionen von einen frischen, unverbrauchten und immer transparenten Mozartbild hundertprozentig entsprach.

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