Carlo Gesualdo: Tenebræ Responsoria, Feria Quinta; Les Arts Florissants, Paul Agnew; 1 CD Harmonia Mundi HAF8905363;  Aufnahme  09.2018, Veröffentlichung 10.03.2023 (76’14) - Rezension von Guy Engels

Schuld und Sühne prägen die Gesänge zu Gründonnerstag, die Carlo Gesualdo zwei Jahre vor seinem Tod veröffentlicht hat. Es ist nicht auszuschließen, dass er sich hier die eigene Reue über den möglichen Ehrenmord an seiner ersten Ehefrau, die er in flagranti erwischt hatte, musikalisch von der Seele komponiert hat.

Wie dem auch sei! Diese Responsorien zeichnen sich durch eine unerwartete Modernität aus, die ohne Zweifel im beginnenden 17. Jahrhundert aufhorchen ließ.

Eine gewisse Theatralik, wie man sie auch in den Madrigalen findet, ist nicht zu überhören. Dennoch bestimmt die geistlich-musikalische Durchdringung der liturgischen Texte zu Gründonnerstag diese Kompositionen für sechs Stimmen.

Der schlichten Besetzung entspricht im Grunde auch die schlichte Ausführung von Les Arts Florissants. Und gerade darin liegt die Kraft dieser Interpretationen – im feinen, klaren Duktus der akkurat ausbalancierten Stimmen sowie in der klug gestalteten Dramaturgie der Texte mit dem schönen Wechselspiel von gregorianischer Einstimmigkeit und kunstvoll gewebter Polyphonie.

Gesualdo, Fürst von Venosa im südlichen Italien, arbeitet mit kühnen, oft dissonanten Harmonien, die das Vokalsextett von Les Arts Florissants geschickt als rhetorische Figuren herausarbeitet (etwa der tiefe Schmerz beim angekündigten Verrat durch Judas), ohne dennoch das ganze Geschehen um Gründonnerstag aufzubrechen. So bleiben diese Responsorien nicht bloß Texterzählung oder nur Reproduktion, sie sprechen den Zuhörer an, erzählen von innerem Leiden, von Zerrissenheit, Hoffnung und Erlösung.

Guilt and atonement characterize the songs for Holy Thursday, which Carlo Gesualdo published two years before his death. It cannot be ruled out that here he musically composed his own remorse for the possible honor killing of his first wife, whom he had caught in flagrante delicto.

Be that as it may! These responsories are characterized by an unexpected modernity, which undoubtedly attracted attention in the early 17th century.

A certain theatricality, as can also be found in the madrigals, cannot be ignored. Nevertheless, the spiritual-musical penetration of the liturgical texts for Maundy Thursday determines these compositions for six voices.

The simple instrumentation corresponds basically also to the simple performance of Les Arts Florissants. And precisely therein lies the power of these interpretations – in the fine, clear ductus of the accurately balanced voices as well as in the cleverly designed dramaturgy of the texts with the beautiful interplay of Gregorian unanimity and artfully woven polyphony.

Gesualdo, prince of Venosa in southern Italy, works with bold, often dissonant harmonies, which the vocal sextet of Les Arts Florissants cleverly brings out as rhetorical figures (such as the deep pain at the announced betrayal by Judas), without nevertheless breaking up the whole event around Maundy Thursday. Thus these responsories do not remain mere textual narration or mere reproduction, they speak to the listener, tell of inner suffering, of brokenness, hope and redemption.

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