Anatoly Lyadov: Biryul’ki, op. 2 + Prélude aus 3 Morceaux, op. 11/1; Alexander Scriabin: Klaviersonate Nr. 4 op. 30; Sergei Prokofiev: 10 Stücke aus Roméo et Juliette, op. 75; Nikolai Medtner: Sonata reminiscenza, op. 38 /1; Violetta Fialko, Klavier; 1 CD Divine Art DBU 20211; Aufnahme 01.2022, Veröffentlichung 08.07.2022 (70'17) - Rezension von Remy Franck

Als dieses Programm im Januar 2022 in Kiev aufgenommen wurde, hatte der verbrecherische Vladimir Putin seinen mörderischen Angriffskrieg auf die Ukraine noch nicht begonnen. Die 1997 geborene Ukrainerin Violetta Fialko ist Gewinnerin des Ciccolini-Preises 2021.

Sie macht in ihrem Spiel sicher keinen Hehl daraus, dass sie eine Frau ist und mit weiblicher Sensibilität an die Musik herangeht. Davon profitieren Prokofievs 10 Stücke aus Romeo und Julia, die wohl rhythmisch sehr fein dargeboten werden, aber durchwegs das Melodische betonen und nie motorisch oder hämmernd werden.

Anatoly Liadov (1855-1914) war ein guter Pianist und komponierte vor allem kurze Stücke, in denen er mit geringem Aufwand seine Beherrschung von Form und Ausdruck zeigen konnte, so wie im 14-teiligen Zyklus Biryul’ki (Mikadospiel), den er 1876 komponierte, als er Student am St. Petersburger Konservatorium war. Violetta Fialko spielt die Musik mit viel Frische und genuinem Charme.

Der russische Spätromantiker Nikolai Medtner (1880-1951) ist längst kein vergessener Komponist mehr, aber sehr populär ist er auch nicht gerade. Laut Marc-André Hamelin, einem der besten Interpreten der Musik Nikolai Medtners, komponierte Medtner eine « sehr vornehme, aristokratische Musik », die « nicht so einen unmittelbaren Zug hat wie Rachmaninov. Rachmaninov geht direkt auf den Hörer zu. Der Hörer aber muss auf Medtner zugehen. Dafür gewinnen seine Stücke mit wiederholtem Hören unablässig. »

Violetta Fialko spielt die Sonata reminiscenza abwechslungsreich und feinfühlig, sie kontrolliert die Architektur des Werks ebenso wie den musikalischen Fluss. Die Klangqualität ihres Spiels, die Dynamik, die Kunst des Beleuchtens und des Schattierens erlauben ihr eine große Ausdrucksvielfalt.

Scriabins Vierte Klaviersonate aus dem Jahr 1903, dem Jahr seiner Übersiedlung von Russland nach Westeuropa, dem Jahr auch, in dem er seine Frau und seine vier Kinder für eine andere Frau verließ, ist das Werk, mit dem der Komponist begann, sich vom romantischen Stil zu lösen und eine eigene Sprache zu entwickeln. Fialko bahnt sich ihren Weg mit packendem Musizieren durch die schnell wechselnden Gefühlslagen zum ekstatischen Schluss, den Scriabin als ‘focosamente, giubiloso’ feurig und jubilierend bezeichnete.

When this program was recorded in Kiev in January 2022, the criminal Vladimir Putin had not yet begun his murderous war of aggression on Ukraine. Ukrainian pianist Violetta Fialko, born in 1997, is the winner of the 2021 Ciccolini Prize.
She certainly makes no secret in her playing that she is a woman and approaches music with a feminine sensibility. Prokofiev’s 10 pieces from Romeo and Juliet benefit from this, and while they are rhythmically very fine, they emphasize the melodic throughout and never become motoric or hammering.
Anatoly Liadov (1855-1914) was a fine pianist and composed mostly short pieces in which he could show his mastery of form and expression with little effort, as in the 14-part cycle Biryul’ki (Mikado Playing), which he composed in 1876 when he was a student at the St. Petersburg Conservatory. Violetta Fialko plays the music with great freshness and genuine charm.
The Russian late romantic composer Nikolai Medtner (1880-1951) is no longer a forgotten composer, but he is not very popular either. According to Marc-André Hamelin, one of the best interpreters of Nikolai Medtner’s music, Medtner composed « very genteel, aristocratic music » that « doesn’t have such an immediate drawl as Rachmaninov. Rachmaninov goes directly to the listener. The listener, however, must approach Medtner. For this, his pieces gain ceaselessly with repeated listening. »
Violetta Fialko’s playing of the Sonata reminiscenza is varied and sensitive, controlling the architecture of the work as well as the musical flow. The tonal quality of her playing, the dynamics, the art of lighting and shading allow her a wide range of expression.
Scriabin’s Fourth Piano Sonata, written in 1903, the year he moved from Russia to Western Europe and left his wife and four children for another woman, is the work with which the composer began to break away from the Romantic style and develop his own language. Fialko makes her way with gripping musicianship through the rapidly shifting emotions to the ecstatic conclusion, which Scriabin called ‘focosamente, giubiloso’ fiery and jubilant.

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