Jacques Boisgallais: Streichquartette Nr. 2 und 3 + Quintett für Streicher; Quatuor Sirius (Claire Eeckeman, Frédéric Daudin-Clavaud, Violine, Clarisse Rinaldo, Bratsche, Pierre Joseph, Cello), Sylvain Durantel, Bratsche; 1 CD Triton TRIHORT571; Aufnahmen 2016-2018, Veröffentlichung 05/2020 (58'43) – Rezension von Uwe Krusch

Jacques Boisgallais ist Komponist von etwa fünfzig Werken für Orchester, Ensemble und Kammermusik. Geboren 1927, studierte er in Paris. Seine ersten Werke zeigen eine Vorliebe für die Dynamik des Diskurses durch kontrapunktische Konstruktion. Damals inspirierten ihn Roussel, Stravinsky und Bartok. 1957 markiert einen Wendepunkt mit einer Verschiebung zugunsten der thematischen Entwicklung, die für ihn zu einem wesentlichen Prinzip des Komponierens wurde. Er wollte die traditionellen Formen verlassen, um die Variationen eines Innenlebens auszudrücken. 1978 schuf er sein nach dem Prinzip der Zufallsfolge sein Quartett Nr. 2, das er 2001 in einer traditionelleren Neufassung überarbeitete. Die Atonalität hindert ihn nicht daran, eine gewisse Melodik zu pflegen.

Die expressive Qualität seiner Motive ergibt sich aus dem Aufeinanderprallen von Intervallen (vergrößerte Quarten, kleine Nonen) und seinem Hang zum Kontrapunkt. Formal bevorzugt Boisgallais Werke in einem Satz. Das Hauptthema ist von nah beieinander liegenden Nebenmotiven umgeben, die sich mit ihm vermischen oder im Gegenteil eine heftige Reaktion provozieren und Kontraste und dynamische Variationen erzeugen. Durch Überarbeitung einiger Werke hat er die Einheit des ganzen reifen Werkes erreicht.

In den Werken prallen zwei Energien aufeinander. Die erste ist verinnerlicht und subjektiv, die zweite veräußerlicht und objektiv. Sie stehen sich im Verlauf einer kontrapunktischen Entwicklung gegenüber. Die Sprache ist atonal, manchmal beschwörend bis zur Tragik. Das Zitat aus der Prosa des Dies irae erscheint im Verlauf jedes dieser Stücke. Trotz der für die Ohren herausfordernden Textur verströmen die Werke auch einen klanglichen Charme, der zu einer akustischen Versöhnung führt.

Das Quatuor Sirius, beim Quintett mit dem Bratscher Silvain Durantel verstärkt, verwirklicht einen breit gefächerten Ansatz in seiner französisch-belgischen Heimatregion. Neben Konzerten im üblichen Rahmen tritt es auch für Kinder, Kranke und Gefangene auf. Auch diese Werke des Komponisten Boisgallais liegen ihnen erkennbar am Herzen und in der Hand. Mit gelenktem Feuer und sicherer Gestaltung geben sie den Stücken eine Ausstrahlung, die die eigentlich schwere Kost zu einem Erlebnis macht.

Jacques Boisgallais is the composer of works for orchestra, ensemble and chamber music. Born in 1927, he studied in Paris. His first works show a predilection for dynamics through contrapuntal construction. 1957 marked a turning point with a shift in favour of thematic development, which for him became the main principle of composition. The expressive quality of his themes results from the clash of intervals and his penchant for counterpoint. The quotation from the Dies irae appears in the course of each of these pieces. Despite the texture, which is challenging for the ears, the works also have a certain tonal charm.
The Quatuor Sirius, joined in the quintet by violist Silvain Durantel, deliver excellent performances of these works which are recognisably close to their hearts and in their hands.

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