Ludwig van Beethoven: Klavierkonzerte Nr. 1-5; Jan Lisiecki (Klavier & Ltg.), Academy of St Martin in the Fields; 3 CDs Deutsche Grammophon 4837637; Aufnahmen, Veröffentlichung 13/09/2019 (173') – Rezension von Remy Franck

Diese Aufnahmen kamen durch einen Zufall zustande. Ursprünglich sollte nämlich Murray Perahia den Beethoven-Zyklus während einer Tournee mit der Academy of St Martin in the Fields im November und Dezember 2018 spielen. Aus gesundheitlichen Gründen sagte Perahia die Tournee ab. Der kanadische Pianist Jan Lisiecki ist dann kurzfristig eingesprungen, so dass die Tournee mit unverändertem Programm stattfinden konnte, mit Konzerten in Cambridge, Luxemburg, Berlin und Hamburg.

Nach dem Konzert in Luxemburg zeigte sich Pizzicato-Mitarbeiter Alain Steffen begeistert: « Eine Sternstunde, ein Glücksmoment, ein geniales Konzert. » Im Berliner Konzerthaus wurde der ganze Zyklus dann live mitgeschnitten und nun von Deutsche Grammophon veröffentlicht.Dass es eine der wichtigsten Publikationen zum anstehenden Beethoven-Jahr sein wird, kann jetzt schon zweifelsfrei gesagt werden.

Der heute 24-jährige Lisiecki beweist, dass in Sachen Beethoven-Konzerte immer noch Neues zu sagen ist. Sein Spiel zeigt viel Entschlossenheit, es ist intensiv und sonor, wunderbar durchhörbar, klangschön und ausdrucksvoll, aber das hat man ja auch bei vielen anderen Pianisten. Was in diesen Einspielungen besonders fasziniert, sind die Frische und die Spontaneität, ein ständiges ‘Hier und jetzt’ sowie ein Differenzieren, das jedem Satz der fünf Konzerte seinen eigenen, unverwechselbaren Charakter gibt. Darin erinnert der kanadische Pianist an den jungen Leon Fleisher, der einmal sagte, man müsse nicht unbedingt so viele Noten wie möglich hörbar machen, aber die, die man spiele, müssten wirklich klingen. Und gerade das ist das Beeindruckende an Lisieckis Spiel. Man hört tatsächlich vieles, was sonst untergeht, und es klingt dann, als hätte das Licht toter Sterne uns gerade eben erreicht und sich in die melodische Linie eingefügt, frei und sinnlich, und das mit einem fast heiligen Gefühl der Demut. Lisiecki drängt sich selber nie nach vorn, sein Eifer soll nur der Musik und dem Komponisten nutzen.

Was ich an dieser Aufnahme aber ebenfalls bewundere, ist die Zusammenarbeit zwischen Solist und Orchester, immer spannungsvoll, immer im Dialog, formal plausibel, mit einem Gefühl von Freiheit und Virtuosität sowie einem artikulierenden Rhythmus, der dem Ganzen eine ungeahnte Präsenz gibt, die die auch wunderbar gelungene Tonaufnahme unterstrichen wird.

These recordings were made by coincidence. Originally Murray Perahia was supposed to play the Beethoven cycle during a tour with the Academy of St Martin in the Fields in November and December 2018. For health reasons, Perahia cancelled. The Canadian pianist Jan Lisiecki then stepped in at short notice, so that the tour could take place with an unchanged program, with concerts in Cambridge, Luxembourg, Berlin and Hamburg.
After the concert in Luxembourg, Pizzicato contributor Alain Steffen was enthusiastic: « A great moment, a moment of happiness, a brilliant concert. » The whole cycle was then recorded live at the Konzerthaus in Berlin and is now published by Deutsche Grammophon. That it will be one of the most important publications for the upcoming Beethoven year can already be said without a doubt.
The 24-year-old Lisiecki proves that there is still something new to say in Beethoven’s concertos. His playing shows a lot of determination, it is intense and sonorous, wonderfully transparent, beautiful and expressive, but we know that from many other pianists. What is particularly fascinating in these recordings is the freshness and spontaneity, a constant ‘here and now’ and a differentiation that gives each movement of the five concertos its own unmistakable character. The Canadian pianist reminds us of the young Leon Fleisher, who once said that you don’t necessarily have to make as many notes audible as possible, but those you play really have to sound. And that’s what’s so impressive about Lisiecki’s playing. You actually hear a lot of things that otherwise are hidden, and then it sounds as if the light of dead stars has just reached us, blending into the melodic line, free and sensual, and all that with an almost holy feeling of humility. Lisiecki never pushes himself forward, his performance is set to only benefit the composer and his music.
No less remarkable is the collaboration between soloist and orchestra, always exciting, always in dialogue, formally plausible, with a feeling of freedom and virtuosity as well as an articulating rhythm, which gives the whole a great presence, which is underlined by the wonderfully successful sound recording.

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