Salle de Musique, La Chaux-de-Fonds
(c) Théâtre Populaire Romand

Fernab der Zentren des Musiklebens, im La Chaux-de-Fonds (Kanton Neuenburg, Schweiz) steht ein Konzertsaal, der für seine einzigartige Akustik berühmt ist. Die besten Musiker unserer Zeit nehmen die langwierige Anfahrt nach La Chaux-de-Fonds auf sich, um dort Konzerte zu geben oder Tonaufnahmen zu machen. Antje Rößler berichtet.

Wer mit der Bahn anreist, zuckelt bergauf durch ein liebliches, dünn besiedeltes Tal. Auf tausend Höhenmetern, kurz vor der französischen Grenze, befindet sich La Chaux-de-Fonds, eine der höchstgelegenen Städte Europas. Ab dem 19. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt zu einem Zentrum der Uhrenindustrie. Die streng im Schachbrettmuster angelegten Straßenzüge sorgten für optimale Lichtverhältnisse in den Werkstätten. Die einzigartige Symbiose von Stadtplanung und Industrialisierung verschaffte La Chaux-de-Fonds 2009 einen Eintrag als UNESCO Welterbe.

Die Finanzkraft der Uhrenindustrie ermöglichte ein hochkarätiges Kulturleben. Zunächst baute man ein plüschiges neobarockes Opernhaus mit steilen Rängen. Vor den Türen verläuft die prachtvolle Avenue Léopold-Robert mit ihrer zentralen baumbestandenen Promenade.

Im 20. Jahrhundert verfolgte der Uhren-Fabrikant Georges Schwob das Projekt einer Konzerthalle neben dem Theater. Er holte den Dirigenten Ernest Ansermet und den Pianisten Wilhelm Backhaus mit ins Boot. Für den Bau war der Architekt René Chapallaz zuständig, der auch schon das Musée des beaux-arts im farbenfrohen Art Déco errichtet hatte.

In der 1955 eröffneten Salle de musique setzte Chapallaz auf das bewährte Schuhkarton-Prinzip. Die herausragende Akustik verdankt sich der Innenverkleidung aus dunklem Nussbaumholz. Hier wurde, wie beim Geigenbau, nur mit Kleber gearbeitet, ohne dass Schrauben oder Nägel zum Einsatz kommen. So erweist sich der Klang auf jedem der knapp 1200 Sitzplätze als warm, füllig und klar.

Salle de Musique & Theater
(c) Théâtre Populaire Romand

Schon deutlich länger als der Saal existiert die Konzertgesellschaft der Stadt. Die Société de Musique de La Chaux-de-Fonds wurde 1893 gegründet und gehört zu den ältesten, bis heute aktiven Musikvereinen der Welt. Sie veranstaltet pro Saison elf sinfonische Konzerte in der Grande Série; hinzu kommt Kammermusik und die Nachwuchs-Reihe Nouveaux Talents. Ein bemerkenswertes Angebot für eine Stadt von gerade mal 38.000 Einwohnern!

Der Musikgenuss bleibt hier ein für Schweizer Verhältnisse preiswertes Vergnügen. 30 bis 60 Franken muss man für ein Ticket hinlegen. Der Pausensekt kostet nicht mal halb so viel wie in Zürich.

Die Société de Musique setzt auf eine schlanke Organisation: Nur die Verwaltung ist mit Teilzeitstellen besetzt. Ein Komitee von sieben Ehrenamtlichen kümmert sich um künstlerische und strategische Fragen. Es vermittelt seine Wünsche an die Kulturmanagerin Alexandra Egli, die alljährlich ein hochkarätiges Programm zusammenstellt. Zur Verbreitung tragen auch die Konzertmitschnitte des RTS bei, des Rundfunks für die französischsprachige Schweiz.

Bei unserem Aufenthalt erlebten wir einen hervorragenden Kammermusikabend in der Reihe Nouveaux Talents. Hier gastierte die Schweizerin Héléna Macherel, die gerade ihr Probejahr als Soloflötistin der Philharmonie Baden-Baden bestanden hat.

In der Konzertpause bewundern wir die schlichte, funktionale Innenarchitektur des denkmalgeschützten Baus. Man kann hier in authentisches Fünfzigerjahre-Flair eintauchen. Elegante Wandlüster verbreiten ein melancholisches Licht.

Salle de Musique, La Chaux-de-Fonds
(c) Théâtre Populaire Romand

Zwei Tage später ging der Saisonabschluss mit dem Orchestre de la Suisse Romande unter seinem Leiter Jonathan Nott über die Bühne. Das OSR ist über seinen Gründer Ernest Ansermet seit jeher eng mit der Salle de musique verbunden; es spielte auch bei der Einweihung.

Auch im Programm verstecken sich Querverbindungen zur Geschichte dieses Konzertsaals, interpretierte doch der aus Paraguay stammende Cellist Michiaki Ueno, Sieger des Concours de Genève 2021, Schostakowitschs Erstes Cello-Konzert. Das Konzert ist Mstislav Rostropovich gewidmet, der es 1964 bei einem legendären Konzert in La Chaux-de-Fonds spielte.

Auch bei Stravinskys Petrouchka ergibt sich eine Verbindung zum Saal, war doch Ansermet ein enger Freund Stravinskys und einer der wichtigsten Dirigenten seiner Werke Ansermet führte die Ballettmusik mehrfach mit seinem Orchestre de la Suisse Romande auf.

Im Herbst 2025 startet die Société de Musique in ihre 133. Saison. Der Auftakt am 10. September vereint gleich drei Preisträger des renommierten, alle drei Jahre in Zürich stattfindenden Concours Géza Anda. Die Pianisten Mihály Berecz, Ilya Shmukler und Dmitry Yudin werden vom Verbier Festival Kammerorchester begleitet.

Weitere Höhepunkte der Grande Série: ein Auftritt des Orchestre National de Mulhouse, die Offenbach-Gala mit den Musiciens du Louvre und der Opernsängerin Marina Viotti sowie Bachs Weihnachtsoratorium mit dem La Cetra Barockorchester unter Andrea Marcon.

Auch die Kammermusik behält ihren großen Stellenwert. Etwa mit dem Jerusalem Quartett plus Elisabeth Leonskaja, oder mit dem Duo Isabelle Faust und Alexander Melnikov.

Der gefeierte Pianist Alexandre Kantorow findet sich zu einer Recital-Trilogie ein. Er macht in der Salle de musique auch gern Tonaufnahmen; in den Fußstapfen großer Musiker, die hier einst Platten aufnahmen; darunter Keith Jarrett, Claudio Arrau oder Claudio Abbado. In den CD-Booklets wird La Chaux-de-Fonds nach wie vor mit schöner Regelmäßigkeit erwähnt.

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