Bei einer Pressekonferenz in Wien haben die Anwaltspetition für Freischaffende (Österreich), Florestan-Initiative (Österreich) sowie Aufstehen für die Kunst (Deutschland) eine Musterklage gegen die Salzburger Festspiele angekündigt. Wegen der komplizierten schlage drucken wir die Pressemitteilung ungekürzt ab.

« 1.) Durch die von der Florestan-Initiative erreichte österreichische Verfassungsgerichtshoferkenntnis, veröffentlicht am 02.08.2022, wurden die Kulturbetretungsverbote ab dem Zeitpunkt der Ungleichbehandlung mit der Religion für rechtswidrig, gleichheitswidrig und sachlich nicht nachvollziehbar eingestuft. Daher erfüllen diese auch keines der Kernkriterien der Höheren Gewalt.

Dadurch haben sich die Künstler*innenvertragsauflösungen als auf Basis einer falschen rechtlichen Grundlage, i.e. Force majeure, seit dem 2. Lockdown, ergo Nov. 2020, herausgestellt. Wir fordern daher die österreichische Politik auf, die Konsequenzen aus diesen rechtlichen Tatsachen zu ziehen und wie in Frankreich bei Vertragsauflösung 50% als Entschädigung=steuerfrei zu bezahlen. Alternativ sollen jene in Österreich ansässigen Künstler*innen, die von Planungsausfällen, insbesondere im Konzertbereich betroffen sind, wie in der Schweiz 80%igen Umsatzersatz wählen können, selbstverständlich sind davon die bereits gezahlten Kompensationen abzuziehen.

Allein die Künstler*innen sind Grundrechtsträger der Kunstfreiheit, nichtsdestotrotz wurde den Freischaffenden unter ihnen ein Sonderopfer über unverhältnismäßig lange Zeit auferlegt, während andere Gesellschaftsbereiche (z.B. der Tourismus) sogar systematische Überförderung während der Corona-Pandemie erhielten.

2.) Seit Juni 2020 gab es in Österreich grundsätzliche Öffnungsschritte, die auch die Veranstaltung der Salzburger Festspiele, wenn auch in reduzierter Form, im August 2020 ermöglichten. Salzburg war frei in der Spielplangestaltung, z.B. neue Cosi fan tutte samt neuer Sängerbesetzung. Einige Opern, Theaterstücke, Konzerte wurden komplett gestrichen, andere verschoben. Auch dem Kuratorium der Salzburger Festspiele war bewusst, dass Force majeure unter diesen Umständen rechtlich nicht gültig war. In den Originalverträgen gab es die Möglichkeit kompensationsloser Verschiebungen ebenfalls nicht, dennoch wurden allein 67 nicht benötigte Opernsolisten mit rechtsgültigen Verträgen nicht ausbezahlt, obwohl Zahlungspflicht bestand.

Ebenso wurde mit einem Teil der engagierten Chormitglieder, ca. 120 Betroffene, verfahren, dabei kam auch ein über Jahrzehnte praktiziertes Dumpingsystem ans Tageslicht. Die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, ein freischaffender Privatverein, stellte ‘Verpflichtungserklärungen’ für die benötigten Zusatzmitglieder des Chores für die Salzburger Festspiele aus. Diese übernahmen dann die Auszahlungen und die Sozialversicherungspflicht in den Sommermonaten, die Vorproben im Feb/März, die auch 2020 schon stattgefunden hatten und immer von der Chordirektion der Festspiele ausgerichtet wurden, wurden jedoch regelmäßig nicht bezahlt, hingegen bei Nichtanwesenheit wurden Teile der Gage in Salzburg abgezogen, ebenso waren die Vergütungen massiv unter denen der Stammmitglieder der Konzertvereinigung. Im Juni 2020 wurde dann den Zusatzmitgliedern von der Konzertvereinigung gekündigt mit Verweis auf die rechtlich falsche Auskunft der Salzburger Festspiele, dass angeblich die Verträge mit der Konzertvereinigung in toto aufgelöst seien.

Die Musterklage richtet sich also gegen den Bruch des Theaterarbeitsgesetzes durch die Salzburger Festspiele, die Zusatzmitglieder der Konzertvereinigung hätten ab Dienstantritt, i.e. Vorproben, direkt von den Salzburger Festspielen angestellt werden müssen, ebenso hätte bei gleicher Arbeit nicht unterschiedlich bezahlt werden dürfen, i.e. Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Zudem schildert die Absagemail der Konzertvereinigung, dass die Salzburger Festspiele Druck ausgeübt haben, um diese Kündigungen durch die Konzertvereinigung zu erreichen und dass mit rechtlich falscher Berufung auf Force majeure operiert wurde.

Wir fordern daher die Demission der dafür Verantwortlichen, Festspielintendant Markus Hinterhäuser und kaufmännischer Geschäftsführer Mag. Lukas Crepaz, um einen Neuanfang zu ermöglichen, sowie die Nachzahlung an alle betroffenen Chormitglieder und Solisten von Schauspiel, Oper und Konzert 2020 sowie für die letzten 3 Jahre für die unterschiedliche Bezahlung im Chor.

3.) Bei der Beschäftigung mit dem Theaterarbeitsgesetz ist weiterhin aufgefallen, dass §§ 41/42 die hälftige Teilung der Agenturprovision zwischen Theater und Künstler*in zwingend vorschreiben und ab Kenntnis der Vermittlung diese automatisch zu erfolgen hat. Seit der Ära Holender wurde dies jedoch zuerst an den Bundestheatern, danach aber flächendeckend bei allen Theatern und Opernfestivals, natürlich wiederum auch bei den Salzburger Festspielen, aber auch Bregenz etc., rechtswidrig verabsäumt. Hier fordern wir ebenfalls die Rückerstattung der vorenthaltenen Zahlungen der letzten 3 Jahre

4.) Diese teilweise jahrzehntelang praktizierten Gesetzesbrüche machen überdeutlich, dass an der Einrichtung einer Künstler*innenkammer als öffentlich-rechtlicher Interessensvertretung für die freischaffenden Künstler*innen kein Weg vorbeiführt. Die Gewerkschaften haben unsere Rechte nicht vertreten während der letzten Jahrzehnte und die Agenturen trauten sich nicht, da sie ebenso abhängig von den großen Institutionen sind wie die Einzelkünstler*innen. Obligatorisch soll sie sein für alle an öffentlich geförderten Institutionen tätigen kurzfristig beschäftigten bzw. tatsächlich soloselbständigen Künstler*innen, z.B. im Konzertsektor. So nur ist garantiert, dass Mindeststandards in die Verträge kommen, bzw. Mindestgagen verpflichtend festgelegt werden können, dies rechtlich auch überwacht wird und im Notfall eben auch Sanktionen gegen rechtswidrig agierende Institutionen ausgefolgt werden können. »

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