Zusammen mit dem Orchester Solistes Européens Luxembourg unter seinem Chefdirigenten Christoph König hat der österreichisch-peruanische Tenor Juan Diego Florez gestern in der Luxemburger Philharmonie Arien von Rossini, Donizetti, Verdi, Lalo, Massenet und Puccini gesungen. Remy Franck zeigt sich in seiner Kritik nicht nur über tenorale Spitzentöne begeistert.
Es war ein großartiger Opernabend, den das Publikum in der nahezu ausverkauften Philharmonie erleben durfte.
Juan Diego Florez zeigte, dass er mit 48 Jahren immer noch der unangefochtene Spitzenreiter im Genre des Tenore di grazia ist. Modellhaft lyrisch und mit feinstem Legato klang seine Stimme geradezu betörend in der Rossini-Arie Deh tu m’assisti amore aus Il Signor Bruschino und begeisterte mit perfektem Atemmanagement und virtuos strahlenden Spitzentönen in La speranza più soave aus Semiramide. Leider hat mir ein übereifriger Saaldiener durch sein Herumlatschen im Saal den Genuss einer der schönsten Arien des gesamten Opernrepertoires, Gaetano Donizettis Una furtiva lagrima aus L’elisir d’amore versaut (bitte entschuldigen Sie den Ausdruck, aber meine Wut in diesem Fall ist unbegrenzt, wie mein separat veröffentlichter Kommentar zeigt).
Der erste Teil des Konzerts ging mit der tief empfunden gesungenen Arie Angelo casto e bel aus Donizettis Il Duca d’Alba zu Ende.
Mit strahlender und in der Höhe fehlerlos sicherer Stimme begann Florez den zweiten Teil mit Verdis Je veux encore entendre ta voix aus Jérusalem. Pure emotionale Schönheit bewunderten wir in Édouard Lalos Vainement, ma bien aimée aus Le Roy d’Ys, und in Massenets Werther-Arie Pourquoi me réveiller? faszinierte der Sänger mit dynamisch weitgestrecktem und geschmeidigem Gesang. Auch in Torna ai felici dì, Robertos Arie aus dem 2. Akt von Puccinis Oper Le Villi, ließ Florez keine Wünsche offen. Er war hundertprozentig impliziert im Drama und sang höchst bewegend.
Am Erfolg dieses Abends hatten aber auch das Orchester Solistes Européens Luxembourg und Dirigent Christoph König einen großen Anteil. Schon in der das Konzert einleitenden Ouvertüre zu Gioacchino Rossinis Il Barbiere di Siviglia zeigten sich die Instrumentalisten gut aufgelegt und inspiriert. König arbeitete Motive liebevoll heraus, frischte die Ouvertüre klanglich auf und ließ die Musik so humorvoll werden, um bei mir ein vergnügtes Schmunzeln hervorzurufen. Dass das Orchester dabei noch virtuos und brillant spielte, muss ich es eigens betonen?
In der Donizetti-Ouvertüre zu Robert Devereux wurden die Motive gut hervorgestrichen, und die Ouvertüre erklang brillant und schlank, ohne Schwere, ohne Pathos und ohne Beiläufigkeit.
Christoph König benutzte die Ouvertüren nicht als notwendige Pausenfüller zwischen den Florez-Arien, sondern als wahrhaftigen Operndigest. Für ihn ist die Ouvertüre ein Drama ohne Gesang. Er kennt die Opern, weiß was in ihnen geschieht, für was die Figuren stehen und wie sie motivisch in den Vorspielen zum Ausdruck kommen. Das zeigte sich in Verdis La Forza del Destino ebenso gut wie in der sportiv elegant musizierten Carmen-Ouvertüre von Georges Bizet oder im Intermezzo aus Pietro Mascagnis Cavalleria Rusticana.
Am Schluss gab es tosenden Beifall und eine Standing Ovation, für die sich Juan Diego Florez mit nicht weniger als sechs Zugaben bedankte, vom Caruso-Hit Core ‘ngrato, in dem sich der Tenor – wie in drei weiteren Stücken – selbst auf der Gitarre begleitete, bis zu Puccinis Nessun dorma, wiederum mit den großartigen Solistes Européens unter Christoph König.