Dialogues; Pierre Boulez: Dialogue de l’ombre double für Klarinette und Tonband + Domaines für Klarinette und 21 Instrumentalisten; Michael Jarrell: Assonance für Klarinette solo; Bruno Mantovani: Bug für Klarinette solo; Nicolas Baldeyrou, Klarinette, diverse Instrumentalisten; 1 CD Klarthe K101; Aufnahme 06/2020, Veröffentlichung 13/11/2020 (66'23) – Rezension von Uwe Krusch

Nicolas Baldeyrou hat für seine Klarinette nicht nur zwei aufeinander bezogene Werke von Pierre Boulez eingespielt, nämlich Domaines mit Original und Miroirs, sowie Dialogue de l’ombre double, sondern zwei weitere zeitgenössische Werke. Es sind Bug von Bruno Mantovani und Assonance von Michael Jarrell. Schon allein wegen der im Gesamtbild kurzen Dauer drohen diese beiden Werke unterzugehen, was nur durch ihren eigenen Charakter und eine ebensolche gefestigte Interpretation vermieden werden kann.

Verglichen mit den Kompositionen von Boulez, die seine eigene Entwicklung mit 17 Jahren Abstand charakterisieren, zeigen sich mit den beiden anderen Werken verschiedene Linien jüngerer Musik.

In Jarrells Musik wechseln sich genauestens vorgegebene Passagen mit solchen, die vom Interpreten die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit fordern. In diesem Werk bezieht er sich auf eine altfranzösische Form des Reimens, die den scheinbaren Gleichklang aus gleichen betonten Vokalen in Worten nimmt und dadurch trotz unterschiedlichen Klängen im Übrigen einen gleichklingenden Charakter erzeugt.

Auf Programmierfehler bezieht sich Bug von Mantovani. Es ist ein äußerst virtuoses und instabiles Werk, eine musikalische Metapher für die durch einen imaginären Computerabsturz verursachte Störung.

Für Domaines von Boulez hat sich Baldeyrou mit seinen Kollegen vom Orchestre Philharmonique de Radio France umgeben. Vergleiche dieser Einspielung mit anderen sind nur begrenzt möglich, da das Werk variabel angelegt ist und somit jedes Mal abgewandelt wird. Die rund 50 Jahre alte Aufnahme aus der Entstehungszeit mit dem Ensemble Musique Vivante etwa ist einiges kürzer. Die neue Aufnahme lässt im Hörvergleich den Eindruck aufkommen, etwas prägnanter und neutraler zu sein, aber das ist vielleicht auch nur ein technischer Unterschied. Baldeyrou jedenfalls erweist sich als gestalterisch versierter Musiker, der das Werk sicher beherrscht und seine Stärken auch technischer Natur ausspielen kann. Seine Mitspieler nutzen die ihnen jeweils zugewiesenen Spielfenster, um prägnante Hörmarken zu setzen.

Im Dialogue de l’ombre double ist Baldeyrou sein eigener Partner im Zusammenspiel mit der zuvor aufgenommenen zweiten Klarinettenstimme. Und so bietet diese CD einen verdienstvollen Einblick in diese Seite moderner Bläserkompositionen, nicht nur für Klarinettenfanatiker

Nicolas Baldeyrou has recorded for his clarinet not only two related works by Pierre Boulez, namely Domaines with Original and Miroirs, and Dialogue de l’ombre double, but also two other contemporary works, both for solo clarinet, Bug by Bruno Mantovani and Assonance by Michael Jarrell. In the comparison of the compositions by Boulez, which characterize his own development over 17 years, these works show two different lines of newer music. In Jarrell’s music, precisely prescribed passages alternate with those that demand of the interpreter the free development of his personality. In this work he refers to an old French rhyme form, which takes the seemingly rhyme of identical accentuated vowels in words and thus, despite different sounds, creates a similar character.
Mantovani’s Bug refers to programming errors. It is an extremely virtuoso and unstable work, a musical metaphor for the disruption caused by an imaginary computer crash.
For Domaines by Boulez Baldeyrou is accompanied by colleagues from the Orchestre Philharmonique de Radio France. Comparisons of this recording with others are only possible to a limited extent, as the work is variably arranged and thus modified each time. The approximately 50-year-old recording from the time of its creation with the Ensemble Musique Vivante, for example, is much shorter. The new recording gives the impression of being a little more concise and neutral, but that is perhaps only a technical difference. Baldeyrou, in any case, proves to be a good, intelligent and technically skilled performer, as are his fellow players. In Dialogue de l’ombre double, Baldeyrou is his own partner in the interplay with the previously recorded second clarinet part.
This CD provides a rewarding insight into this side of modern wind compositions, not only for clarinet fanatics.

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