Louis Vierne: Violinsonate g-Moll op. 23, Klavierquintett c-Moll op. 42. Judith Ingolfsson (Violine), Vladimir Stoupel (Klavier), Rebecca Li (Violine), Stefan Fehlandt (Viola), Stephan Forch (Cello); 1 CD Accentus ACC 303712; Aufnahme 04/2015, Veröffentlichung 04/2016 (75'46) - Rezension von Guy Engels

Louis Viernes Leben ist letztendlich eine Kette von schweren Schicksalsschlägen. Mit einer Sehbehinderung geboren, die später zur vollständigen Erblindung führte, erlitt er als Titularorganist von Notre-Dame in Paris einen Beinbruch, und er musste das Pedalspiel von Grund auf neu lernen. Schlimmer noch als dieses Fatum war der Verlust der Brüder im Laufe des Ersten Weltkrieges und vor allem die standrechtliche Hinrichtung des eigenen Sohnes. Für Louis Vierne blieb die Musik die einzige Quelle, aus der er überhaupt noch Kraft schöpfen konnte.

Umso erstaunlicher ist das umfangreiche Werk, das Vierne geschaffen hat. Obwohl er heute vor allem als Organist wahrgenommen wird, sollte man seine symphonischen Werke und die Kammermusik nicht leichtfertig abtun.

Die Violinistin Judith Ingolfsson und ihr Partner am Klavier, Vladimir Stoupel, haben sich diesem verborgenen Schatzkämmerlein nun zugewandt, dies in einer CD-Reihe, die sie Komponisten widmen, deren Leben durch den Ersten Weltkrieg eine dramatische Wendung genommen hat.

Viernes Violinsonate op. 23 musiziert das Duo durchaus dramatisch, intensiv, ohne es der Komposition jedoch an innerer Wärme, ja sogar an Zärtlichkeit fehlen zu lassen. Trotz aller Betrübnis in Viernes Leben, trotz aller Abgründe, funkelt immer ein Licht, ein poetischer Schimmer, den Judith Ingolfsson und  Vladimir Stoupel geradezu liebevoll aufscheinen lassen.

Dass Louis Vierne sein Klavierquintett in der Schicksalstonart c-Moll schreibt, ist angesichts des Todes seines eigenen Sohnes kein Wunder. Der schmerzliche Verlust wird von Judith Ingolfsson und ihren Mitstreitern geradezu herzzerreißend in Musik umgesetzt, eine Interpretation, die bis in die letzte Faser berührt und der Gleichgültigkeit eine klare Absage erteilt.

Heartrending performances of major chamber works by Louis Vierne.

Eine weitere Rezension gibt es hier.

 

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