Giya Kancheli: Symphonien Nr. 1-7 + Liturgy (Mourned By The Wind) + Light Sorrow; Tbilisi Symphony Orchestra + ungenannte Solisten und Chor, Djansug Kakhidze; 5 CDs Cugate Classics CGC050; Aufnahmen 1994/1995, Box-Veröffentlichung 10/2020 (285') - Rezension von Remy Franck

Der georgische Komponist Gya Kancheli (1935-2019) hat sieben Symphonien komponiert. Sie sind zusammen mit zwei anderen Kompositionen auf 5 CDs von Cugate zu hören, die früher schon einzeln veröffentlicht wurden.

Gya Kanchelis Werke haben einen ziemlich gleichbleibenden Stil. Meistens drehen sie um “das nächtliche Dunkel” über seinem Heimatland Georgien. Kancheli komponierte die Symphonien alle, als sein Land unter Hammer und Sichel zu leiden hatte. Entsprechend düster und hoffnungslos ist die Musik.

Glaubt man dem Komponisten, dann interessiert ihn gar nicht, ob ein Werk progressiver ist als ein anderes, ob seine Musik sich im Vergleich zu anderer zeitgenössischer Musik einer bestimmten Stilrichtung oder Schule zuordnen lässt oder sich einer solchen Klassifizierung von vornherein entzieht, denn der Komponist beteuert, er schreibe grundsätzlich für sich selbst. Gleichzeitig jedoch hofft Kancheli, « … dass das Publikum von meinen Kompositionen berührt wird und meine absichtliche Einfachheit nicht mit dem Phänomen verwechselt, das meiner Meinung nach das gefährlichste ist  – dem Gefühl der Gleichgültigkeit. »

Schon die zwei ersten Symphonien zeigen die Zerrissenheit der Musik, die sich zwischen extremer Dramatik und Klangwucht sowie tiefer Stille bewegt.

Kanchelis 3. Symphonie geht vom thematischen Material eines nordgeorgischen Begräbnis-Klagelieds aus. Voller Gegensätze, mit extremen dynamischen Sprüngen (Achtung beim Abhören, da bei zu hoher Lautstärke Schäden an der Stereo-Anlage möglich sind), ist diese 3. Symphonie ein faszinierendes Werk, das der Fantasie und der Erlebnisfreudigkeit des Zuhörers ebenso wenig Grenzen setzt wie die Symphonien Nr. 4 und 5.

Die Sechste Symphonie kann ich mir als Filmmusik zu einem Streifen über den Ausbruch eines Vulkans immens gut vorstellen. In dieser Sechsten wechseln sich meditative Teile von berückendem Lyrismus ab mit Passagen, die extreme Kraftausbrüche enthalten. In ihrer Einfachheit ist die Tonsprache des Komponisten ergreifend, und selbst die Siebente Symphonie, ein frei zusammengefügtes Konglomerat von Themen und Zitaten, ist unschwer als ein auf sehr nachdenkliche Art aufgebautes musikalisches Resümee zu werten. Dabei hat die Musik eine Dramatik, die einen auch nach mehrmaligem Abhören noch immer spannungsvoll erwarten lässt, was denn nun geschehen möge.

Light Sorrow für Solisten, Kinderchor und Orchester wurde 1984 vom Leipziger Gewandhausorchester und dem Peters Verlag in Auftrag gegeben, um den vierzigsten Jahrestag der Niederlage des Faschismus zu begehen. Es wurde von Kancheli allen Kindern gewidmet, die im Zweiten Weltkrieg umgekommen sind.

Mourned by the Wind ist ebenfalls ein Auftragswerk, das 1984 für die West-Berliner Festwochen und zum Gedenken an Kancheli’s engen Freund, den Kritiker Givi Ordzjonikidze, geschrieben wurde.

Alle Werke werden vom Symphonie-Orchester Tbilisi unter Jansug Kakhidze spannungsvoll und brillant dargeboten. Die Aufnahmen sind technisch perfekt gemacht, und so stellt diese Box mit 5 CDs eine hervorragende Hommage an Kancheli dar.

P.S. Dass für die beiden Werke Light Sorrow und Mourned by the Wind die Namen des Chores sowie der Solisten nicht angegeben werden, ist eine inakzeptable Schlamperei des Berliner Labels.

The Georgian composer Gya Kancheli (1935-2019) has composed seven symphonies. They can be heard, together with two other compositions, on 5 Cugate CDs which were previously released separately.
Gya Kancheli’s works have a fairly consistent style. Mostly they revolve around « the nocturnal darkness » over his home country Georgia. Kancheli composed the symphonies when his country was under the Soviet rule. The music is correspondingly gloomy and hopeless.
If you believe the composer, he is not at all interested in whether one work is more progressive than another, whether his music can somehow be classified or compared to other contemporary music, or whether it evades such classification, for the composer affirms that he is basically writing for himself. At the same time, however, Kancheli hopes « … that the audience will be touched by my compositions and not confuse my deliberate simplicity with what I consider to be the most dangerous phenomenon – the feeling of indifference. »
The first two symphonies already show the conflictual nature of the music, which moves between extreme drama and and deep silence.
Kancheli’s Third symphony is based on the thematic material of a North Georgian funeral song. Full of contrasts, with extreme dynamics (be careful when listening, as damage to the stereo system is possible if the volume is too high), this Third Symphony is a fascinating work, which sets as few limits to the listener’s imagination as symphonies Nos. 4 and 5.
I can imagine the Sixth Symphony well as the music for a film about the eruption of a volcano. In this Sixth, meditative parts of enchanting lyricism alternate with passages containing extreme outbursts of power. In its simplicity, the composer’s tonal language is poignant, and even the Seventh Symphony, a freely assembled conglomeration of themes and quotations, can easily be seen as a musical summary built up in a very thoughtful way. Yet the music has a drama that, even after listening to it several times, still leaves one expecting with suspense what might happen next.
Light Sorrow for soloists, children’s choir and orchestra was commissioned by the Leipzig Gewandhaus Orchestra and the Peters Verlag in 1984 to commemorate the fortieth anniversary of the defeat of fascism. It was dedicated by Kancheli to all children who died in the Second World War.
Mourned by the Wind is also a commissioned work, written in 1984 for the West Berlin Festival and in memory of Kancheli’s close friend, the critic Givi Ordzjonikidze.
All the works are presented in an exciting and brilliant performance by the Tbilisi Symphony Orchestra under Jansug Kakhidze. The recordings have been made to technical perfection, so this box of 5 CDs is an excellent homage to Kancheli.
P.S. The fact that for the two works Light Sorrow and Mourned by the Wind the names of the choir and soloists are not given is an unacceptable sloppiness of the Berlin label.

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