BR-Klassik veröffentlicht Verdis Oper Attila mit dem Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung seines Chefdirigenten Ivan Repusic. Remy Franck hat dazu folgendes Interview mit dem Dirigenten geführt.

Ivan Repusic
(c) Lisa Hinder

Herr Repusic, was hat Sie dazu veranlasst, in München einen Zyklus mit frühen Verdi-Opern zu machen?
Verdis frühe Werke sind hier eher selten zu erleben. Doch es ist bedeutende und anspruchsvolle Musik, die große Herausforderungen an die Interpreten stellt, was zum Beispiel Klangkultur, Zusammenspiel und Balance betrifft. Für die Besetzung des Münchner Rundfunkorchesters, dessen Chefdirigent ich seit Herbst 2017 bin, sind diese Werke ideal. Und sie geben uns die Möglichkeit, mit hochrangigen Solisten zu arbeiten, so bereits mit Marina Rebeka in Luisa Miller, Leo Nucci in I due Foscari und Ildebrando D’Arcangelo in Attila. Außerdem hat die italienische Opernmusik eine lange Tradition im Repertoire des Münchner Rundfunkorchesters, zu dessen Chefdirigenten unter anderem Giuseppe Patané und Marcello Viotti gehörten.

Ivan Repusic (c) Lisa Hinder

Wie geht es weiter, nach der jetzt auch auf CD erhältlichen Aufführung von Attila?
Wir setzen den Zyklus konsequent fort – und zwar in der nächsten Spielzeit mit I Lombardi alla prima crociata. Danach ist Ernani geplant. Beide Werke sind schon deshalb interessant, weil sie im Anschluss an Nabucco herauskamen.

Worin unterscheiden sich die frühen Opern Verdis von den späteren?
Das betrifft sowohl die musikalisch-dramaturgische Struktur als auch die Harmonik und die Orchestrierung. Es ist faszinierend, anhand seiner Werke zu sehen, welch große Entwicklung Verdi als Komponist gemacht hat. Schon seine vorletzte und letzte Oper, Otello und Falstaff, unterscheiden sich stark voneinander, und natürlich unterscheidet sich seine frühe Phase noch viel mehr von der späteren. Die erste Phase ist eng mit der damaligen italienischen Tradition eines Bellini oder Donizetti verbunden, wobei man von Anfang an viele neue Elemente spüren kann. So tritt der Chor als Träger kollektiver Handlungen auf, Verdi setzt neue Ideen in Orchestration und Melodik um, es gibt eine engere dramatische Verbindung zwischen den Szenen, und die Beziehungen zwischen den Charakteren werden genauer gezeichnet.

Sind diese Opern schon wirkliche Meisterwerke per se oder werden sie es ggf. erst durch eine ganz gezielte Form der Interpretation?
Für mich hat jede von Verdis Opern einen besonderen Platz im Gesamtwerk. Jede bringt etwas Neues, und so ergibt sich ein wunderbares Mosaik. Ohne diese Entwicklung würden wir jetzt nicht seinen Otello oder die Trias von Rigoletto, Il Trovatore und La Traviata genießen.

Was ist denn wichtig, was sind die Grundvoraussetzungen für Sie?
Ich habe schon viele Kommentare zur angeblichen Einfachheit der frühen Verdi-Opern und der sogenannten Begleitung ‘alla chitarra’ gehört. Solche Ansichten sind gefährlich, denn diese Werke erfordern eine große technische Meisterschaft, Klarheit und Transparenz in Klang und Struktur sowie Reinheit der Melodielinien. Sie stellen hohe Ansprüche an die Solisten, die psychologisch richtiggehend in die Charaktere eintauchen müssen, und an die Leistungsfähigkeit des Orchesters, das eine wichtige und kraftvolle Aufgabe in der Gesamtdramaturgie übernimmt.

Sie haben als Operndirigent eine große Erfahrung. Die Münchner Verdi-Opern machen Sie konzertant. Vermissen Sie die Opernbühne oder ist der Umstand, nicht mit einer Inszenierung konfrontiert zu sein, vielleicht eher eine Befreiung?
Ich muss und will die Opernbühne ja keineswegs entbehren und bin verschiedenen Häusern wie der Deutschen Oper Berlin, wo ich Erster ständiger Gastdirigent bin, eng verbunden. Ich dirigiere also, natürlich neben Sinfoniekonzerten, laufend szenische Aufführungen. Beim Münchner Rundfunkorchester geht es aber um etwas anderes: Die Reihe der Sonntagskonzerte, in der unser Verdi-Zyklus stattfindet, gehört zu den wichtigsten Konzertreihen des Orchesters – mit einer Tradition von bald 70 Jahren, in deren Verlauf man viele legendäre Abende erleben konnte. Die meisten Opern, die dort erklingen, gehören nicht zum Standardrepertoire eines Opernhauses; man bekommt also die seltene Chance, diese Werke live zu hören und sich dabei vollkommen auf die Musik zu konzentrieren. Sie werden in der Regel für das BR-Klassik-Label oder für andere Labels wie cpo mitgeschnitten und es entsteht sozusagen ein Dokument für die Ewigkeit. Außerdem werden die Sonntagskonzerte im Radio live auf BR-Klassik und oft auch in andere Länder Europas übertragen. Schließlich bedeutet es für mich immer einen besonderen Genuss, gemeinsam mit großartigen Solisten und so wunderbaren Klangkörpern wie dem Münchner Rundfunkorchester und dem BR-Chor zu musizieren!

Zur Rezension von Attila geht es hier.

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